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Die Vision von Ted Nelson (geb. 1937) im Jahr 1960 hingegen scheint sehr bedeutungsvoll. Sein Xana-
du-Projekt wird oft als konzeptionell wegbereitend für späterere Hypertext-Systeme gesehen (Nelson präg-
te auch den Begriff Hypertext), doch werden zahlreiche besonders wesentliche Aspekte seiner Vision selten
erwähnt. Drei dieser Aspekte sind:
Links müssen bidirektional
sein;a.
wenn mehrere ‚Fenster‘ geöffnet sind, muss es möglich sein, Elemente der beiden Fenster zum Bei-
spiel mit einer Linie zu verbinden;
b.
es muss Transklusion, also die Fähigkeit, andere Dokumente oder Abschnitte in sich selbst einzu-
schließen (‚einzubinden‘), möglich sein.
c.
Der erste Aspekt (a) wird aus technischer Sicht noch später behandelt. Für Nelson war es aber wichtig, dass
man in jedem Dokument feststellen kann, wer auf dieses verlinkt. Aspekt (b) ist bis heute noch immer in
kein gängiges Betriebssystem implementiert, obwohl der Nutzen auf der Hand zu liegen scheint. So muss
man sich zum Beispiel immer noch mit Screendumps, die man dann mit einem Grafikeditor bearbeitet, be-
helfen. Die fehlende Umsetzung von Aspekt (c) ist ebenso erstaunlich. Damit wäre es zum Beispiel einfach
möglich, Links (entsprechen Sprungmarken, sogenannten GOTOs in der Programmierung) durch Unter-
programmaufrufe zu ersetzen. In der Programmierung sind GOTOs schon lange verpönt – in fast allen Hy-
pertext-Systemen (auch den üblichen WWW-Anwendungen) wird hingegen noch immer mit Links eine Art
‚Spaghettiprogrammierung‘ (nach Robert Cailliau), anstelle vernünftiger Strukturen aufgebaut. Hingegen
existier(t)en genug Systeme, die dies durchaus erlauben. Bei zweien war der Autor selbst involviert:
HM-Card (Maurer & Sherbakov, 1995) und
Hyperwave (Maurer, 1996).
Ein ähnliches System mit einer sehr hierarchischen Struktur ist das Gophersystem, das unter der Leitung
von Marc McCahill (geb. 1956) an der Universität Minnesota um 1990 entwickelt wurde.
Während 1969, als das große Jahr des (langsamen) Starts des Internets überall erwähnt wird und vom
WWW weit und breit noch nichts zu sehen war, hatte der englische Ingenieur Samuel Fedida schon 1968
die Vision ‘Viewdata‘ (und sogar ein Patent darauf), welche die aus funktionaler Sicht wichtigsten Elemen-
te des WWW enthielt. Fedida betonte aber, dass er erst durch den durchaus spekulativen Beitrag „The
Computer as a Communication Device“ von Licklider (Licklider & Taylor, 1968) auf die Idee kam und sehr
zügig eine damals realistische Version implementierte. 1974, mehr als 15 Jahre vor dem WWW, ging sie als
Prototyp in Betrieb und wurde noch in den 1970er Jahren im Vereinigten Königreich als kommerzieller
Dienst (Fedida & Malik, 1979) angeboten. Der Dienst wurde später Prestel genannt, beziehungsweise in
Deutschland und Österreich ‚Bildschirmtext‘ (BTX), wobei BTX in Deutschland 1977 erstmals auf der In-
ternationalen Funkausstellung Berlin groß der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die Einführung als Pilotbe-
trieb beziehungsweise -dienst erfolgte dann etwas später, mit Beginn des Jahres 1981 auch in Österreich.
Viele europäische Länder, aber auch zahlreiche außereuropäische, boten Varianten davon ab den 1980er
Jahren als Dienst oder Pilotdienst an. Darüber wird im nächsten Kapitel berichtet.
1968 gab es noch wenige leistungsfähige Großcomputer. Der erste erfolgreiche Heimcomputer, MITS Alta-
ir 8800, kam erst 1976 auf den Markt. Der Apple I folgte ein Jahr später und der erste ernstzunehmende,
nicht als Bausatz verfügbare Computer Apple II sogar erst 1977, gleichzeitig mit dem Commodore PET.
1979 folgten die Produktion und der Verkauf der ersten Atari-Computer. Die ersten echten Farbheimcom-
puter waren dann der Tandy TRS-80 Color Computer und der Sinclair ZX80, beide 1980.
Und trotzdem muss nochmals betont werden, dass Samuel Fedida bereits 1968, also mehr als 10 Jahre
vor den ersten Heimcomputern, seine Vision, alle Haushalte mit farbtauglichen Geräten auszurüsten, die
den Zugriff und die Interaktion mit großen Informationsdatenbanken ermöglichen sollen, präsentierte. Und
es blieb keine Vision, sondern war eine konkrete Idee, die dann systematisch verwirklicht wurde:
Die meisten Haushalte hatten ein Farbfernsehgerät mit Fernbedienungstastatur und ein Telefon. Es lag
nahe, mittels eines Modems die Telefonleitung zur Übertragung von Daten aus einem Netz von Servern zu
verwenden und diese mit einem einfachen ‚Decoder‘ (als Zusatzgerät oder eingebaut) dem Fernseher als
Displaygerät einzubauen, mit der Fernsehtastatur als Eingabegerät.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569