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Ebenso gibt es Dimensionen, die in allen gängigen Definitionen von Medienkompetenz enthalten sind,
wenn auch unter sich unterscheidenden Bezeichnungen, wie kognitive, analytische und evaluative sowie
sozial-reflexive Fähigkeiten inklusive moralischer Orientierungen und emotionaler Aspekte (Kübler, 1996).
Stellt man Medienpädagogik in den Vordergrund, so betrachtet man vor allem die Vermittlung und den
Aufbau von Medienkompetenz in formellen Lehr-/Lern-Settings in Schule und Hochschule oder der außer-
schulischen Jugendarbeit. Vor allem für Schule und Hochschule geht es in Zukunft auch darum, Handlungs-
felder für den Erwerb von Medienkompetenz und Medienbildung zur Verfügung zu stellen.
Neben Medienpädagogik wird in den letzten Jahren vermehrt auch Medienbildung als Konzept in der
medienpädagogischen Literatur diskutiert. Eine Abgrenzung von Medienkompetenz und Medienbildung
geschieht nach Schorb (2009) aus drei Gründen: eine gewisse Überalterung des Begriffs ‚Medienkompe-
tenz‘, eine stärkere Betonung von Orientierungswissen sowie eine gewisse Zweckrationalität von Medien-
kompetenz, d.h. eine starke instrumentelle Betrachtung (S. 50-51). Im Gegensatz zu Medienkompetenz be-
tont das Konzept der Medienbildung vor allem das Subjekt als Ganzes und bringt Begriffe in die Diskussi-
on, die im Rahmen der Medienkompetenzdebatte bisher vernachlässigt wurden, z.B. das Verhältnis des In-
dividuums zur Welt (Marotzki & Jörissen, 2008). Medienbildung „zielt über die bisherigen Bestimmungen
von Medienkompetenz hinaus auf ein wachsendes Bewusstsein von der Medialität der Bildungsräume und
der Medialität aller Bildungsprozesse. Medienbildung reflektiert die mediale Gestaltung der Bildungsräume
und der darin ablaufenden Kommunikationsprozesse. Dies ist die Grundbedingung dafür, dass die Heran-
wachsenden im Verlaufe ihrer Entwicklung immer besser befähigt werden, ihre Bildungsräume mit Hilfe
der verfügbaren Medien eigenständig zu gestalten und die darin ablaufenden Lern- und Bildungsprozesse
selbst zu regulieren“ (Spanhel, 2010, 50–51). Nach Hugger (2008) können Medienkompetenz und Medien-
bildung als „zwei Seiten derselben Medaille“ gesehen werden und Medienbildung betone „vor allem den
Aspekt der Freisetzung des Subjekts zu sich selbst und der Medienreflexion“ (S. 97). Beide Konzepte seien
integrativ; „(...) wer von dem einen redet, darf das andere nicht vergessen“ (ebenda). Allerdings ist in aktu-
ellen Debatten immer wieder darauf zu achten, welche Perspektive auf Medienbildung eingenommen wird,
wie Jörissen aufzeigt: Geht es bei der Perspektive auf Medienbildung um einen Output des Bildungssys-
tems, um ein erzielbares Ergebnis von individuellen Lernprozessen oder um einen „Prozess der Transfor-
mation von Selbst- und Weltwissen“? (Jörissen, 2011, 213ff.). Je nach Perspektive finden sich unter dem
„Deckmantel“ der Medienbildung ganz unterschiedliche Verständnisse des Gegenstands wieder.
Doch was zeichnet nun die aktuelle Medienpädagogik aus? In der historischen Entwicklung haben wir ge-
sehen, dass Medienpädagogik sich meist in Abhängigkeit von gesellschaftlichen medialen Veränderungen
entwickelt und diese Prozesse auch Einfluss auf die medienpädagogische Diskussion haben. Blickt man in
den aktuellen medienpädagogischen Diskurs, so sind verschiedene Herausforderungen medienpädagogi-
scher Arbeit beobachtbar: Zum einen sind in den letzten Jahren vermehrt medienpädagogische Konzeptio-
nen entstanden, die informelle Medienaneignungsprozesse auch in Bildungsinstitutionen fruchtbar machen
und damit Sozialisationsinstanzen verzahnen. So finden sich verstärkt sowohl in der außerschulischen wie
auch in der schulischen Medienarbeit Peer-Education Ansätze, welche vor allem Partizipation von Kindern
und Jugendlichen, aber auch von Studierenden betonen. Gerade partizipative Prozesse in Form von
Peer-Education zeigen sich als reflexive Bearbeitung eigener Medienerfahrungen, in der Weitergabe dieser
Medienerfahrungen an Peers sowie in der Ausgestaltung des Peer-Education Prozesses durch die Subjekte
selbst (Hölterhof & Schiefner-Rohs, im Druck).
Aus pädagogischer Perspektive wird die Frage nach der Gestaltung von Medienbildungsräumen viru-
lent: Angesichts eines breiten Medienbegriffs, dem sich das Subjekt nicht gegenüber verorten kann, son-
dern in dem es handelt, hat zur Folge, dass auch Medienbildungsprozesse endinstitutionalisiert werden. Da-
mit gibt es keine klassischen Orte der „Medienkompetenzentwicklung“ mehr, sondern es geht um eine päd-
agogische Auseinandersetzung mit den Bildungswerten digitaler und sozialer Medien in der sozialen Um-
welt. Wichtiger werden dann immer mehr auch informelle Handlungsfelder (Hug, 2000) und Aspekte der
Selbstsozialisation (Sutter, 2010). Medienbildung wird zu einem „Selbstgestaltungsprozess“ (vgl. Wolf et
al. 2011) mit dem Ziel der Verortung und Verantwortungsübernahme des Subjekts in einer medialen Um-
welt, der allerdings, wie Spanhel (2011) zu Recht hinweist, auch entwickelt werden muss.Eine Entwick-
lung, die vor allem die Forschung in der Medienpädagogik betrifft, ist eine Veränderung von Medien und
deren Nutzungs- bzw. Aneignungsprozesse (vgl. auch Schiefner-Rohs, im Druck). Medien wachsen immer
mehr zusammen, weswegen das Erheben einzelner Medienformen (Nutzung von Büchern, Computern
usw.) immer weniger verlässliche Daten produziert. Wichtiger wird die Frage nach den medial geprägten
Handlungspraxen von Subjekten werden. Darüber hinaus hat vor allem das soziale Netz mit Prinzipien wie
Partizipation, Interaktion und Mobilität emergente Nutzungs- und Aneignungspraxen hervorgerufen, wel-
che bisher nur marginal durch die medienpädagogische Forschung untersucht sind. Von daher ist davon
auszugehen, dass medienpädagogische Forschung auch in Zukunft vor vielfältigen Aufgaben steht.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569