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Es existieren verschiedene Typen digitaler Spiele, leider findet sich in der Literatur jedoch bisher keine
einheitliche Klassifizierung. Je nachdem, welche Merkmale ein Verfasser oder eine Verfasserin für seine
Einordnung berücksichtigt, ergeben sich entsprechend unterschiedlich viele Spielgenres (Gauguin, 2010).
Typische Unterscheidungsmerkmale sind dabei die Spieldynamik, die Symbolstruktur oder die Handlungs-
anforderung, was auf die folgenden grundlegenden Spielgenres schließen lässt (wobei anzumerken ist, dass
aktuelle Unterhaltungsspiele in der Regel Merkmale mehrerer Genres aufweisen) (Feil & Scattergood,
2005; Pedersen, 2003):
Actionspiele, in denen die Reaktionsgeschwindigkeit entscheidend ist;
Adventurespiele, in denen das Lösen von Rätselaufgaben die Rahmengeschichte fortführt;
Casual Games, deren Spielrahmung weniger komplex und deren Spielregeln schnell erlernbar sind,
so dass sich die Spiele gut für eine „gelegentliche“ und beiläufige Nutzung eignen;
Rollenspiele, in denen sich die Spielfiguren durch Aktionen in ihren Attributen weiterentwickeln
und somit das Identifikationsempfinden steigern;
Simulationsspiele, die Spielende realitätsnahe Erfahrungen nachempfinden lassen, dabei aber weni-
ger realistisch sind als simulierende Trainingsapplikationen;
Sportspiele mit unterschiedlichen Realitätsgraden, die in ihren Regeln echten Sportarten nachemp-
funden sind;
Strategiespiele, in denen ein kluges Management von Ressourcen und Einheiten zum Spielerfolg
führt.
Die Popularität und der Spielspaß von digitalen Spielen können dadurch erklärt werden, dass verschiedene
Mechanismen des Unterhaltungserlebens sequenziell oder parallel ausgenutzt und aktiviert werden. Zen-
trale Unterhaltungsprozesse sind nach Klimmt (2008) Selbstwirksamkeitserfahrung, Spannung bzw. Lö-
sung und simulierte Lebens- und Rollenerfahrungen, die bei Spielen zu einem integrierten Erlebnis ver-
schmelzen:
Eine Selbstwirksamkeitserfahrung macht ein Spieler oder eine Spielerin, wenn auf seine Aktivität
eine unmittelbare Reaktion des Spiels erfolgt. Er erhält hier das Gefühl, einen unmittelbaren Ein-
fluss auf das Geschehen in der Spielumgebung zu nehmen.
Spannung entsteht in digitalen Spielen durch die Handlungsnotwendigkeiten, mit denen die Spie-
lenden immer wieder konfrontiert werden, sowie durch die emotionale Anteilnahme an der Medien-
figur, die von Spielenden selbst verkörpert wird. Positive Ergebnisse der Spannungsauflösung füh-
ren daher zu starken emotionalen Erleichterungen, die sich in Form von Stolz und gesteigerten
Selbstwertgefühlen äußern können. Negative Ergebnisse hingegen können zu negativen Emotionen
wie Frust und Enttäuschungen führen.
Lebens- und Rollenerfahrungen machen Spielende durch das Eintauchen in die Rahmengeschich-
te der Spiele. Diese Erfahrungen sind möglich, weil in den Spielen häufig Realitäten auf multime-
diale Weise simuliert werden. Die Mechanismen des Unterhaltungserlebens funktionieren allerdings
nur dann über einen längeren Zeitraum, wenn Spielende kontinuierlich Erfolge erzielen. Erfolg in
Spielen zu haben bedeutet, das Spiel kontrollieren zu können beziehungsweise seinen Leistungsan-
forderungen gerecht zu werden. Für Fritz (2005) ist diese Form der Machtausübung in der virtuellen
Welt der Hauptgrund dafür, dass gerade Heranwachsende mit ihren altersspezifischen Schwierigkei-
ten – wie etwa dem Gefühl eines Kontrollverlustes in ihrer sozialen Umwelt – von digitalen Spielen
fasziniert sind.
Eng verbunden mit der Selbstwirksamkeit und der erfolgreichen Kontrolle eines Spiels ist die Lernfähigkeit
eines Spielers oder einer Spielerin. Das Erlernen von Spielen beschreiben Garris & Driskell (2002) dabei
als einen Spielzyklus aus Spielerverhalten, Rückmeldungen des Programms und der daraufhin von Spielen-
den vorgenommenen Beurteilung des Spielfeedbacks und des eigenen vorherigen Verhaltens (vgl. ebenso
die Ausführungen von Kerres et al., 2009). Die Spieler reagieren dabei mit einem unterschiedlich hohen
Grad an Interesse, Freude, Ehrgeiz oder Selbstvertrauen auf das Feedback, was wiederum die Richtung, In-
tensität und Qualität ihres weiteren Verhaltens beeinflusst. Spielende führen also einen Spielzug aus, erhal-
ten eine Reaktion, bewerten anschließend ihre Situation und können sich dann zu einem weiteren Spielzug
entscheiden. Wird ihr Handeln als richtig akzeptiert, fühlen sie sich positiv bestätigt und ihr Interesse am
Weiterspielen steigt. Wird ihr Zug aber als falsch deklariert, fühlen sie sich herausgefordert. Ihr Ehrgeiz
steigt und sie nehmen solange alternative Handlungen vor, bis bei wiederholtem Misserfolg ihre individuel-
le Frustgrenze erreicht ist und sie das Spiel entnervt beenden. In der Regel durchlaufen Spielende diesen
Zyklus nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip mehrfach und erwerben damit schließlich die erforderliche
Kompetenz.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569