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Der Begriff „Gender“ ist seit nunmehr einigen Jahrzehnten in wissenschaftlichen Diskursen verankert. Un-
ter Gender werden in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht („Sex“) gesellschaftliche Geschlechterrol-
len und Geschlechterverhältnisse verstanden. Dabei handelt es sich um allgemeine Vorstellungen und Er-
wartungen darüber, wie Frauen und Männer sind beziehungsweise sein sollten. Gender bezeichnet alles,
was in einer Kultur als typisch für ein bestimmtes Geschlecht angesehen wird. Das beinhaltet geschlechtli-
che Zuschreibungen von bestimmten Verhaltensweisen, Interessen, Kompetenzen, Einstellungen, etc. und
auch die damit verbundenen Hierarchisierungen und sozialen Machtaspekte. Gender wird sozial konstru-
iert: Im Konzept des „Doing Gender“ (West & Zimmermann, 1987) wird davon ausgegangen, dass die Ge-
schlechtszugehörigkeit von Individuen entlang einer gesellschaftlich gegebenen Geschlechterordnung in ei-
nem permanenten und interaktiven Prozess immer wieder hergestellt und gefestigt wird (Gildemeister,
2008). Gender ist aber nicht nur eine Analysekategorie, sondern es stellt eine strukturierende „omnirelevan-
te“ Bedingung für Kultur und Gesellschaft dar.
Die Genderforschung hat sich aus den „Women´s Studies“ (Frauenforschung) entwickelt, die sich in den
1960er und 1970er Jahren an US-amerikanischen Universitäten etabliert haben. Mittlerweile hat die Gen-
derforschung Eingang in viele unterschiedliche Fachdisziplinen wie die Naturwissenschaften oder die Me-
dizin gefunden und ist als eigenes, inter- beziehungsweise transdisziplinäres Fachgebiet vorwiegend in den
Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften verortet. Sie fragt nach der Bedeutung des Geschlechts für Kul-
tur und Gesellschaft und zielt darauf ab, jene Mechanismen offenzulegen, über die das soziale Geschlecht
wirksam wird. Es werden dabei Fragen nach Geschlechterrollen, -differenzen, -hierarchien und -stereoty-
pen bearbeitet. Ziel ist es, stereotype geschlechtsspezifische Zuschreibungen von Männlichkeit und Weib-
lichkeit zu hinterfragen und zu dekonstruieren, um Menschen uneingeschränkt in ihrer Vielfalt und Hetero-
genität wahrnehmen zu können. Denn was konstruierbar ist, muss in der Folge auch dekonstruierbar sein.
Im Versuch einer Systematisierung der heterogenen Ansätze der Genderforschung lassen sich im Wesentli-
chen drei Perspektiven in ihrer historischen Entwicklung abgrenzen. Dabei ist festzuhalten, dass Kategori-
sierungen naturgemäß mit einer gewissen Unschärfe belegt sind. Im Hinblick auf eine übersichtliche Dar-
stellung wird dies im vorliegenden Beitrag jedoch in Kauf genommen. Aktuell stehen insbesondere kon-
struktivistische Ansätze im Zentrum der Diskussion. Aber auch frühere Ansätze behalten in ihren gesell-
schaftspolitischen und inhaltlichen Anliegen bis heute ihre Gültigkeit. Die Ansätze gelten trotz zum Teil
heftig geführter Debatten nicht als überholt, vielmehr kritisieren und/oder ergänzen sie sich gegenseitig.
Der Ursprung der Frauenforschung ist mit dem Gleichheitsansatz assoziiert. Die Kategorie „Frau“ kam
in den 1960er Jahren in Wissenschaft und Forschung nicht vor. Dieser Ansatz entstand somit aus einer par-
teiischen, feministischen Perspektive, dass sich sowohl Wissenschaft als auch Gesellschaft und Kultur aus
der Sicht von Frauen anders darstellen als aus dem Blickwinkel von Männern. Die Fragestellungen im Rah-
men des Gleichheitsansatzes suchen Belege für die Diskriminierung von Frauen durch gesellschaftliche
Mechanismen. Im Zentrum steht die Forderung nach der Gleichberechtigung der Geschlechter. Im Kontext
des Lernens und Lehrens mit neuen Technologien steht hier beispielsweise die Frage im Zentrum, wie sich
die gesellschaftliche Stellung der Geschlechter in der Technologie abbildet: Welchen Einfluss nehmen
Männer und Frauen auf die Entwicklung von Lerntechnologien? Wie werden Kauf- oder Nutzungsentschei-
dungen für Technologien getroffen? Auf einer didaktischen Ebene wiederum kann es hier um Fragen ge-
hen, ob für beide Geschlechter gleichermaßen eine aktive Partizipation am Bildungsgeschehen ermöglicht
wird. Was sind schließlich die Schritte, die gesetzt werden müssen, um etwaige Benachteiligungen von
Frauen zu beseitigen?
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569