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Seit der Errichtung der ersten Rechenzentren gibt es Überlegungen, wie Computerleistung zur Unterstüt-
zung und zur Verbesserung von Unterricht verwendet werden könnte. Neben hohen Erwartungen an den
Computer als Unterstützung oder als Substitut für die Lehrperson wurde auch über den Einsatz bei ganz
spezifischen diagnostischen Problemen geforscht (Brown, 1980). Einen neuen Schub bekam diese Bewe-
gung mit dem Erscheinen von Computern (PC) in den Klassenzimmern (Schön, 1985). Bei diesen Überle-
gungen ist die leitende Idee: „Computer können viel größere Mengen von Daten speichern als es einzelne
Lehrpersonen auch beim bestem Bemühen könnten. Computerprogramme können auch ganz unerwartete
Zusammenhänge zwischen Daten der Lernenden und dem Erreichen des Kurszieles aufdecken“ (Educause,
2011). Dies führte zur Entwicklung des Forschungsbereiches Educational Datamining (EDM). In den letz-
ten Jahren kommt der neue Begriff Learning Analytics (LA) hinzu, der durchaus große Überschneidungen
mit EDM hat, so dass Göldi (2012) zurecht auf seinem Blog die Frage stellt: „Ist Learning Analytics wirk-
lich neu?“. Dieser Beitrag soll in beide Begriffe einführen, sie voneinander abgrenzen und anhand von Bei-
spielen zeigen, warum dieser Forschungsbereich zukünftig großes Entwicklungspotential hat.
Seit den 1980er Jahren wird, mangels eines deutschen Begriffes, das Datensammeln als solches, der Pro-
zess der Auswertung und die Konsequenzen als Datamining bezeichnet. Zusammengefasst geht es dabei im
Endeffekt um eine große Anzahl von (zum Teil unspezifisch) erfassten Daten, deren (mögliche) Interpreta-
tionen und daraus entstehende Konsequenzen. Geschieht dies im Bildungskontext, redet man seit etwa
1995 von Educational Datamining (nach Romero & Ventura, 2007). Die wachsende Verbreitung der Inter-
netzugänge, die Entwicklungen rund um das Web 2.0 und die damit verbundene erhöhten Interaktivität, die
zunehmende Nutzung von sozialen Netzwerken und auch die Tendenz, immer mehr Prozesse mit IT zu be-
arbeiten, führen dazu, dass fast beliebig Daten gesammelt werden, welche Prozesse, wie beispielweise Ar-
beitsabläufe von der Einlasskontrolle bis zu den täglichen Abläufen, beschreiben (engl. ‚Big Data‘).
Bei der Datensammlung wird die stark unterschiedliche Struktur der Daten deutlich: Viele Prozesse werden
mit festen Strukturen protokolliert. Zum Beispiel das Aufrufen einer Webseite und der Kontakt mit der ei-
genen IP-Adresse, gegebenenfalls das individuelle Authentifizieren, der Aufruf bestimmter Angebote, das
Absolvieren von Tests und bestimmte Auswahlen werden in Datenbanken hinterlegt.
Daneben entstehen zunehmend Texte, die häufig per Chat, E-Mail, in Wikis, Blogs und Foren, oder per
Upload in verschiedensten Lernumgebungen produziert und ausgetauscht werden. Immer mehr werden un-
terrichtliche Angebote nicht mehr nur in Präsenzformaten ‚vor Ort‘ (Seminare, Vorlesungen), sondern auch
als Telefon- und Videokonferenzen synchron und als Podcasts asynchron durchgeführt. Hier fallen die Ver-
bindungsdaten und entsprechende Aktivitätszeiten als strukturiertes Datenmaterial an, aus denen dem Akti-
vitätsanteile und Dominanz- oder Partizipationswerte als Charakteristik der Kommunikation abgeleitet wer-
den können. Aus pädagogischer Sicht ist es darüber hinaus selbstverständlich von höchstem Interesse, was
inhaltlich vorgefallen ist. Worüber wurde gesprochen, in welchem Zusammenhang? Die automatische Klas-
sifikation und inhaltliche Zuordnung (semantische Analyse) solcher Daten ist ein ganz eigenes und wesent-
lich komplexeres Problem und steckt heute noch in den Kinderschuhen (Spies, 2013), wiewohl es schon
erste vielversprechende Ansätze gibt (Softic et al., 2010). Noch viel aufwändiger ist die Untersuchung der
Bewegungsmuster und der Mimik.
Das Ziel von EDM ist also, aus einer riesigen Datenmenge heraus überschaubare Typen, Profile, Cluster
und darauf bezogen typische inhaltsbezogene Abfolgen und auch kritische Werte zu ermitteln. Pädagogisch
geht es darum, Muster in den Daten zu erkennen, um daraus notwendige oder empfehlenswerte Handlun-
gen planen zu können. Dies kann im Einzelfall eine Alarmmeldung sein, die sich auf das globale Verhalten
(Engagement, Fleiß, Präsenz) bezieht, oder aber im Detail auf Prozesse, bei denen die weiteren Entfal-
tungsschritte durch Sackgassen, falsche Arbeitstechniken, Routinen oder Kenntnislücken blockiert sind.
Zum Einsatz kommen kann dabei ein automatisches adaptives Online-Hilfsangebot oder konkrete Interven-
tionen von Lehrpersonen, die in kritischen Alarmfällen vorgeschlagen werden. Unter einem eher ökonomi-
schen Aspekt werden durch die Kombination verschiedener Verfahren Zusammenhänge zwischen Ein-
gangs- und Prozessparametern und dem jeweiligen Erfolg ermittelt. Dabei wird versucht, Schulungs- und
Bildungsmaßnahmen statistisch zu erklären und Prognosen für den Erfolg und auch Misserfolg konkret ein-
zelner Akteure zu berechnen und natürlich auch Erwartungswerte für deren Gesamtheit zu prognostizieren.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569