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‚Was mit Daten passieren kann, wird passieren‘. Dieses Sprichwort der Informatik weist darauf hin, dass
Daten sowohl im positiven als auch negativen Sinne interpretiert und ausgewertet werden können. Aus dem
Blickwinkel der Forschung besteht selbstverständlich das Bedürfnis, aus analytischen Gründen weiter Da-
ten zu gewinnen. Wird zum Beispiel beim Abruf eines Videos in den Logfiles des Servers aufgezeichnet,
ob dabei auch vor- oder zurückgespult wurde oder ob Pausen gemacht wurden, stellt sich Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftlern die Frage, ob das Video mit Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Dazu werden
weitere Datenspuren gesucht oder weitere Systemkomponenten geschaffen, die entsprechende Daten erzeu-
gen (Ebner et al, 2013a). Wenn in der Datenbank sichtbar wird, dass Aufgaben nicht gelöst wurden, steht
die Frage im Raum, ob die Fehler nach konzentrierten Überlegungen und vielleicht systematisch durch An-
wendung falscher Regeln entstanden sind oder vielmehr zufällig durch oberflächliche Eingabe des Ergeb-
nisses. Mit einem Mikrofon lässt sich ein möglicherweise störender Geräuschpegel ermitteln, mit einer Ka-
mera gelingt es, Gesichtsausdrücke zu bestimmen. Aus oft ganz unscheinbaren Daten, wie den Zeitstem-
peln der Beobachtungen, lassen sich allerdings auch ganz andere Untersuchungen betreiben und zum Bei-
spiel Rückschlüsse auf das Unterrichtsverhalten der Lehrpersonen ziehen. Damit stellt sich die Frage, wie-
weit durch ein solches Setting bei allen Beteiligten der Eindruck einer Überwachung entsteht und sie spezi-
fisch darauf reagieren, also ihr normales Verhalten ändern und womöglich den Einsatz solcher Tools über-
haupt sabotieren.
Durch das Sammeln von Daten besteht zweifelsfrei ein hoher Anspruch an den Datenschutz. Bei dem
Tool, welches hier in der Rubrik ‚In der Praxis‘ beschrieben ist, sind die beteiligten Personen über eine be-
liebige E-Mail-Adresse identifiziert, man kann also nicht wirklich von personenbezogenen Daten sprechen.
In einem typischen LMS (Lernmanagmentsystem) verhält sich das ganz anders, im Hinblick auf den Er-
werb von Qualifikationen ist eine Authentifizierung der Teilnehmenden obligatorisch. Bei allem Enthusias-
mus, der LA entgegen gebracht wird, ist es zwingend nötig, Lehrende und Lernende darüber aufzuklären,
welche Daten zu welchem Zweck gespeichert, analysiert und möglicherweise weitergegeben werden. Auch
sollten Mechanismen und Sicherheiten eingebaut werden, die es gewährleisten, dass auch später keine
missbräuchliche Verwendung stattfindet.
Grundsätzlich sollte von der Idee, Prozesse bei Individuen steuerbar zu machen, Abstand genommen wer-
den, nur weil pädagogische Abläufe detailliert erfasst werden können. Dieser sehr technischen Auffassung
von Unterrichten wird hier erwidert, dass die Kunst des Unterrichtens im Wesentlichen darin besteht, mit
verschiedenen Vorgaben Handlungsräume festzulegen, die den Lernenden individuelle Lernfortschritte er-
möglichen. Lernende treffen im Umfeld solcher Angebote subjektive und oft ganz spontane Entscheidun-
gen, Optionen werden eingebunden oder sie weisen aus gänzlich subjektiven Gegebenheiten das Angebot
zurück (Hattie, 2013, 2). Die Daten zeigen, Lernen erfolgt im Detail nicht immer stetig, wie es eine voraus-
bedachte Konstruktion als Ideal vorgibt (Schön et al., 2012, 78-89). Gerade die empirische Beschreibung
und Bestätigung dieser praktischen Erfahrung ist ein wichtiges Ergebnis von Detail-Erhebungen, wie sie
mit Learning Analytics und Educational Datamining möglich geworden sind. Neue Einsichten über Lehr-
und Lernprozesse werden dabei gewonnen, wobei deutlich wird, warum Bildung sich als ein derart komple-
xer Prozess präsentiert.
Aus rein praktischer Sicht ist auch der Einsatz von LA noch sehr in den Kinderschuhen, so gibt es zwar
vereinzelte Berichte über die Analyse im Bereich von Lernumgebungen (Softic et al., 2013), der große
Durchbruch steht aber noch aus. Nichtsdestotrotz gehen die Autoren davon aus, dass diese Entwicklung
stetig voranschreiten wird.
Es sei hier nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gewonnenen Daten und eine etwaige
anschließende Analyse nicht als unfehlbare Quelle des Wissens anzusehen sind und dass man zu keiner
Zeit die kritische Auseinandersetzung vergessen darf. Je umfassender Prozesse automatisiert werden, desto
größer ist die Gefahr, dass man sich zu weitgehend auf diese verlässt und Förderansätze vernachlässigt wer-
den.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569