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Dennoch, eine hochschulweite E-Learning-Strategie besteht derzeit höchstens in Ansätzen. Wie ein sol-
cher Ansatz aussehen kann, dokumentiert Bremer (2011) am Beispiel eines dreijährigen hochschulweiten
Organisationsentwicklungsprozesses der Goethe-Universität Frankfurt. Dabei wird auch die Wichtigkeit
begleitender Beratungs-, Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen für das Personal betont.
Massenlehrveranstaltungen – wir denken hier an eine Anzahl von weit über 100 Studierenden – stellen für
einige Bereiche der Lehre durchaus eine herausfordernde Situation dar. So sind bei Massenlehrveranstal-
tungen allein die räumlichen Gegebenheiten des Hörsaals die Methodik und Didaktik beeinflussende Fakto-
ren. Daneben spielt aber besonders die durch die große Hörer- und Hörerinnenzahl bedingt reduzierte Inter-
aktion zwischen Lehrenden und Studierenden eine große Rolle. So werden in Massenlehrveranstaltungen
meist nur Stoffmengen an die Lernenden vermittelt, ohne auf individuelle Lernprozesse Rücksicht zu neh-
men.
Schon früh befassten sich Bildungswissenschaftlerinnen und Bildungswissenschaftler mit den Ursachen
mangelnder Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden (Bligh, 1971; Gleason, 1986). Nach Anderson
et al. (2003) lassen sich drei wesentliche Problemfelder identifizieren (Ebner, 2009):
Feedback-Verzögerung: Lernende geben während der Lehrveranstaltung kaum oder verspätet Feed-
back.
Mangelnde Bereitschaft zu fragen: Aufgrund der Gruppengröße trauen sich viele Studierende nicht
zu sprechen oder zu fragen.
Paradigma des Frontalvortrages: Die Inszenierung der frontalen Vortragssituation reduziert die stu-
dentische Teilnahme.
Ein weiteres Problemfeld ist die zeitliche Länge von klassischen Lehrveranstaltungen, die zumindest 45 bis
90 Minuten beträgt. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne ist mit lediglich 20 Minuten deutlich
kürzer (Smith, 2001). Daher sollte die Dauer und die zeitliche Strukturierung einer traditionellen Lehrver-
anstaltung grundsätzlich überdacht werden (Smith, 2001). Durch die meist fehlende Interaktion ist bei Mas-
senlehrveranstaltungen die Problematik Aufmerksamkeitsspanne versus Lehrveranstaltungsdauer noch of-
fensichtlicher ausgeprägt.
Aber nicht nur für das Geschehen im Hörsaal, sondern auch für die Zeit nach der Lehrveranstaltung, al-
so die Prüfungszeit, ergeben sich erschwerende Situationen. Mündliche Prüfungen sind kaum objektiv zu
bewältigen und die Korrektur handschriftlich ausgefüllter Tests ist nicht minder zeitaufwändig. Im Folgen-
den werden nun Ansätze und Lösungsvorschläge diskutiert, die nicht nur, aber speziell für den Einsatz bei
Massenlehrveranstaltungen Hilfe anbieten.
Vergleichbar mit beliebten Fernseh-Rateshows werden auch für Hörsaal- und Konferenzveranstaltungen
Abstimmungstools angeboten, über die Anwesende auf Fragen von Lehrenden bzw. Vortragenden durch
Klicken einer der Antwortmöglichkeiten meist auf eigens dafür vorgesehenen Geräten ihre Meinung kund-
tun und damit eine Interaktion auslösen. Nachteile solcher kommerzieller Produkte und Systeme sind der
meist sehr hohe Anschaffungspreis, die technische Implementierung vor Ort (sofern nicht durch zeitauf-
wändiges Austeilen und Einsammeln vollzogen) sowie die örtliche Gebundenheit an einen bestimmten
Raum. Solche Systeme kommen durchaus in kleineren Seminaren zum Einsatz, nicht jedoch bei großen
Massenlehrveranstaltungen.
Zunehmend werden aber auch Applikationen des Web 2.0 genutzt, um die didaktisch erwünschte Inter-
aktion in Massenlehrveranstaltungen zu erhöhen (Purgathofer & Reinhaler, 2008). So kann das soziale
Netzwerk Twitter auch für den begleitenden Einsatz in Lehrveranstaltungen verwendet werden (Ebner,
2011). Ebenso mit Hilfe sogenannter Push-Technologien (direkter, automatisierter, unidirektionaler Infor-
mationsfluss von Sender/in zu Empfänger/in) können Studierende Präsentationen von Lehrenden folgend
gleichzeitig diese kommentieren und ihre Anmerkungen untereinander teilen. Ein ähnlicher Ansatz wurde
an der Technischen Universität Graz (TU Graz) 2009 erforscht und eingesetzt (Ebner, 2009) beziehungs-
weise kommt heute an der Universität München zum Einsatz (Bry et al., 2011).
Mit den zunehmenden Möglichkeiten mobiler Endgeräte ergeben sich stets neue Wege, diese Interaktion
zu fördern. Der zuvor beschriebene qualitative Ansatz (qualitativ backchannel) hat durchaus eine schon
längere Tradition. In jüngster Zeit denkt man durch die Verfügbarkeit der Endgeräte bei den Lernenden
über quantitative Ansätze nach (quantitativ backchannel); die BYOD (Bring Your Own Device)-Debatte
gerät dadurch zunehmend in den Mittelpunkt. So können zum Beispiel Studierende mit einer entsprechen-
denApp ihres Smartphones der lehrenden Person Rückmeldung über Verständlichkeit der Inhalte und Tem-
po des Vortrags geben.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569