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unvermeidliche Gesellschaft hielt mich ab. Was war zu tun? Ich schickte
meinen Diener hinaus, nur um einen Menschen um mich zu haben, der ihr
heute nahe gekommen wäre. Mit welcher Ungeduld ich ihn erwartete, mit
welcher Freude ich ihn wiedersah! Ich hätte ihn gern beim Kopfe genommen
und geküßt, wenn ich mich nicht geschämt hätte.
Man erzählt von dem Bononischen Steine, daß er, wenn man ihn in die
Sonne legt, ihre Strahlen anzieht und eine Weile bei Nacht leuchtet. So war
mir’s mit dem Burschen. Das Gefühl, daß ihre Augen auf seinem Gesichte,
seinen Backen, seinen Rockknöpfen und dem Kragen am Surtout geruht
hatten, machte mir das alles so heilig, so wert! Ich hätte in dem Augenblick
den Jungen nicht um tausend Taler gegeben. Es war mir so wohl in seiner
Gegenwart.—bewahre dich Gott, daß du darüber lachest. Wilhelm, sind das
Phantome, wenn es uns wohl ist?
Den 19. Julius
“Ich werde sie sehen!” ruf’ ich morgens aus, wenn ich mich ermuntere und
mit aller Heiterkeit der schönen Sonne entgegenblicke; “ich werde sie sehen!”
und da habe ich für den ganzen Tag keinen Wunsch weiter. Alles, alles
verschlingt sich in dieser Aussicht.
Eure Idee will noch nicht die meinige werden, daß ich mit dem Gesandten
nach *** gehen soll. Ich liebe die Subordination nicht sehr, und wir wissen
alle, daß der Mann noch dazu ein widriger Mensch ist. Meine Mutter möchte
mich gern in Aktivität haben, sagst du, das hat mich zu lachen gemacht. Bin
ich jetzt nicht auch aktiv, und ist’s im Grunde nicht einerlei, ob ich Erbsen
zähle oder Linsen? Alles in der Welt läuft doch auf eine Lumperei hinaus, und
ein Mensch, der um anderer willen, ohne daß es seine eigene Leidenschaft,
sein eigenes Bedürfnis ist, sich um Geld oder Ehre oder sonst was abarbeitet,
ist immer ein Tor.
Am 24. Julius
Da dir so sehr daran gelegen ist, daß ich mein Zeichnen nicht
vernachlässige, möchte ich lieber die ganze Sache übergehen als dir sagen,
daß zeither wenig getan wird.
Noch nie war ich glücklicher, noch nie war meine Empfindung an der
Natur, bis aufs Steinchen, aufs Gräschen herunter, voller und inniger, und
doch—ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll, meine vorstellende Kraft
ist so schwach, alles schwimmt und schwankt so vor meiner Seele, daß ich
keinen Umriß packen kann; aber ich bilde mir ein, wenn ich Ton hätte oder
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Die Leiden des jungen Werthers
- Titel
- Die Leiden des jungen Werthers
- Autor
- Johann Wolfgang von Goethe
- Datum
- 1774
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 95
- Kategorien
- Weiteres Belletristik