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Die Leiden des jungen Werthers
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zusehen und sagen könnte: ‘die Törin! HĂ€tte sie gewartet, hĂ€tte sie die Zeit wirken lassen, die Verzweifelung wĂŒrde sich schon gelegt, es wĂŒrde sich schon ein anderer sie zu trösten vorgefunden haben.’—Das ist eben, als wenn einer sagte: ‘der Tor, stirbt am Fieber! HĂ€tte er gewartet, bis seine KrĂ€fte sich erholt, seine SĂ€fte sich verbessert, der Tumult seines Blutes sich gelegt hĂ€tten: alles wĂ€re gut gegangen, und er lebte bis auf den heutigen Tag! ’” Albert, dem die Vergleichung noch nicht anschaulich war, wandte noch einiges ein, und unter andern: ich hĂ€tte nur von einem einfĂ€ltigen MĂ€dchen gesprochen; wie aber ein Mensch von Verstande, der nicht so eingeschrĂ€nkt sei, der mehr VerhĂ€ltnisse ĂŒbersehe, zu entschuldigen sein möchte, könne er nicht begreifen.—“Mein Freund”, rief ich aus, “der Mensch ist Mensch, und das bißchen Verstand, das einer haben mag, kommt wenig oder nicht in Anschlag, wenn Leidenschaft wĂŒtet und die Grenzen der Menschheit einen drĂ€ngen. Vielmehr—ein andermal davon”, sagte ich und griff nach meinem Hute. O mir war das Herz so voll—und wir gingen auseinander, ohne einander verstanden zu haben. Wie denn auf dieser Welt keiner leicht den andern versteht. Am 15. August Es ist doch gewiß, daß in der Welt den Menschen nichts notwendig macht als die Liebe. Ich fĂŒhl’s an Lotten, daß sie mich ungern verlöre, und die Kinder haben keinen andern Begriff, als daß ich immer morgen wiederkommen wĂŒrde. Heute war ich hinausgegangen, Lottens Klavier zu stimmen, ich konnte aber nicht dazu kommen, denn die Kleinen verfolgten mich um ein MĂ€rchen, und Lotte sagte selbst, ich sollte ihnen den Willen tun. Ich schnitt ihnen das Abendbrot, das sie nun fast so gern von mir als von Lotten annehmen, und erzĂ€hlte ihnen das HauptstĂŒckchen von der Prinzessin, die von HĂ€nden bedient wird. Ich lerne viel dabei, das versichre ich dich, und ich bin erstaunt, was es auf sie fĂŒr EindrĂŒcke macht. Weil ich manchmal einen Inzidentpunkt erfinden muß, den ich beim zweitenmal vergesse, sagen sie gleich, das vorigemal wĂ€r’ es anders gewesen, so daß ich mich jetzt ĂŒbe, sie unverĂ€nderlich in einem singenden Silbenfall an einem SchnĂŒrchen weg zu rezitieren. Ich habe daraus gelernt, wie ein Autor durch eine zweite, verĂ€nderte Ausgabe seiner Geschichte, und wenn sie poetisch noch so besser geworden wĂ€re, notwendig seinem Buche schaden muß. Der erste Eindruck findet uns willig, und der Mensch ist gemacht, daß man ihn das Abenteuerlichste ĂŒberreden kann; das haftet aber auch gleich so fest, und wehe dem, der es wieder auskratzen und austilgen will! 37
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Die Leiden des jungen Werthers
Titel
Die Leiden des jungen Werthers
Autor
Johann Wolfgang von Goethe
Datum
1774
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
95
Kategorien
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