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zu halten und den besonderen Beitrag der Erziehungswissenschaft zur Bil-
dungsforschung gerade aus ihrer mehrdeutigen Stellung innerhalb dieses Span-
nungsverhältnisses zu begründen.
Eine in diesem Zusammenhang interessante Position findet sich bei Ulrich
Binder, der den besonderen Status der Erziehungswissenschaft innerhalb der
Bildungsforschung mit der eigentümlichen Stellung der Disziplin im Gefüge
der Wissenschaften zu begründen versucht. Seinen Ausgangspunkt bildet die
These, dass die Erziehungswissenschaft eine „polyvalente Stellung“ zwischen
konkurrierenden Ansprüchen wie ‚Wahrheit‘ und ‚Nützlichkeit‘ oder zwi-
schen „ethischem, pragmatischem und Forschungsimperativ“ (Tenorth) ein-
nehme (Binder 2018: 99). Während solche Diagnosen explizit oder implizit
meistens negativ, nämlich als Abweichung oder Anomalie bewertet würden,
schlägt Binder vor, sie als „distinktes Alleinstellungsmerkmal“ der Erzie-
hungswissenschaft zu begreifen, das zu Leistungen führe, „die von anderen im
Bereich der Bildungsforschung Operierenden unterscheidbar sind“ (ebd.: 101).
Gerade ihre mehrdeutige Position im Spannungsfeld von (oder auf der Grenze
zwischen) ‚Wahrheit‘ und ‚Nützlichkeit‘ und das Offenhalten entsprechender
Grenzen machten die Erziehungswissenschaft unverwechselbar und anschluss-
fähig für politisch-gesellschaftliche Umwelten, für andere Wissenschaften und
Praxen (vgl. ebd.: 101f.).
Ähnlich wie oben vorgeschlagen wurde, die Besonderheit der Erziehungs-
wissenschaft im Blick auf die Methodenfrage in der Pluralität ihrer Methoden
zu sehen, ließe sich die spezifische Stellung der Disziplin zum Normativitäts-
problem vor diesem Hintergrund so beschreiben, dass sie sich dem Entweder-
Oder entzieht und darauf verzichtet, sich auf eine der beiden Seiten zu schla-
gen, um sich stattdessen auf der Grenze zwischen den von den klassischen Un-
terscheidungen zugeschriebenen Positionen zu bewegen.
Fazit: Was trägt die Erziehungswissenschaft zur Bildungs-
forschung bei?
Abschließend soll versucht werden, das Gesagte zusammenzufassen und ab-
wägend Stellung zu der Frage zu beziehen, welche der vorgestellten Positionen
als geeignet erscheinen, den besonderen Beitrag der Erziehungswissenschaft
zur Bildungsforschung zu beschreiben. Festzuhalten wäre dabei zunächst ein-
mal, dass es als wenig aussichtsreich gelten muss, die Spezifik erziehungswis-
senschaftlicher Bildungsforschung über den Ausweis eines besonderen, nur
der Erziehungswissenschaft zuzurechnenden Gegenstandsbereichs oder einer
nur ihr eigentümlichen Forschungsmethode zu begründen. Innerhalb des rela-
tiv weit gefassten Feldes der Bildungsforschung lassen sich keine Gegenstände
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Buch Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher