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ihrer/seiner selbst bewusst zu werden (ebd.: 37). Anerkennung wird in den
Schriften von Fanon und Habermas als Hoffnung für positive Formen des Mit-
einanders und als Antrieb für Emanzipation betrachtet, von Autoren wie Alt-
husser und Satre als „besondere Form der Unfreiheit“ (ebd.: 39). Selbstbestim-
mung ist auch Abhängigkeit von der Welt (Honneth 2003: 34).
Anerkennung zwischen Selbst und Welt
Die Entstehung neuer Selbstbeziehungsformen, welche elementar für transfor-
mative Lernerfahrungen sind, ist nur um den Preis (und Lohn) einer Öffnung
des eigenen Welthorizonts möglich (vgl. Stojanov 2006). Erst diese Offenheit,
im Sinne der Empfänglichkeit für die Welt und Andere, ermöglicht in der
Rückkehr zu sich selbst einen Selbst-Bezug. Die Formung sogenannter Selbst-
Bezüge bedingt einen Vorgang der „Selbst-Universalisierung durch Welt-Er-
schließung“ (ebd.: 47). Anlehnend an Humboldt, bedeutet Bildung eine Ent-
faltung des eigenen Potentials, das durch so viele Weltbegegnungen wie mög-
lich geschieht (vgl. ebd.: 46f.). Die Autonomie des Subjektes ist „die Eröff-
nung eines Welthorizonts der eigenen Erfahrungen“ um „an einer universalis-
tisch entgrenzten (Diskurs-) Gemeinschaft der Menschheit“ teilzuhaben (ebd.:
48).
Bildung zeigt sich in diesem Verständnis von Stojanov als parallele Trans-
formation von Selbst- und Weltbezügen, in der sich die Herausbildung von
Selbst-Autonomie als Prozess von Selbst-Universalisierung durch Welt-Er-
schließung vollzieht. Die Selbst-Verwirklichung passiert demnach in einem
Sich-in-Beziehung-Setzen, dass über reine Spiegelungen der Anderen hinaus-
geht und die Grenzen dieser Formen sprengt (vgl. ebd.: 108). Selbst-Verwirk-
lichung ist demnach im Sinne einer Entstehung von immer neuen intersubjek-
tiv vermittelten Selbstbeziehungsformen zu verstehen, die die Genese und die
Entwicklung des Individuums insgesamt konstituiert und es zugleich dazu
treibt, über die jeweils erreichten Formen seiner Spiegelung durch die Anderen
hinauszugehen, die partikularen Grenzen dieser Formen zu sprengen. So sind
Selbst-Verwirklichung und Ermächtigung ein Prozess wechselseitiger Aner-
kennung und der kulturell-biographischen Achtung zwischen jeweils Anderen
(ebd.: 168; 201f.). Honneth (2003) bezieht seine Theorie der Intersubjektivität
unter anderem auf Gadamers Vergleich der hermeneutischen Erfahrung mit
den unterschiedlichen „Formen der Erfahrung wechselseitiger Anerkennung
[...] die durch echte menschliche Bindung im Modus der Offenheit füreinander
gekennzeichnet ist“ (ebd.: 50). Doch wie Honneth (2003) kritisch bemerkt, ist
ein autonomiefähiges Subjekt in gegenwärtigen Bildungswirklichkeiten die
„Steigerung von Individualität durch innere Vervielfältigung von Identität“
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Buch Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher