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(ebd.: 139): das Ideal eines multiplen Subjekts, die postmoderne Persönlich-
keit, die über so viele unterschiedliche Identitäten verfügt, dass sie/er sich jeder
Situation anpassen kann (vgl. ebd.). Dies hat zwei Seiten. Charim (2018) be-
schreibt eine Person, die eine „nichtvolle Identität“ (ebd.: 10) lebt und die Plu-
ralität als Teil der eigenen Identität versteht, als „Friedenssubjekt […] der ein-
gehegten Konflikte […], das sich selbst nicht absolut setzt“ (ebd.: 11). Ander-
seits sieht Giddens (1995) das Sicherheitsbedürfnis des Menschen, das er als
ontologische Sicherheit bezeichnet, als Versuch, Zuversicht und Vertrauen in
die eigene Identität und Wahrnehmung der sozialen Welt zu erhalten (vgl. ebd.:
101). Wieder befindet sich das Subjekt, wie oben beschrieben, in der Spannung
des Offenseins und Wagens und dem Bedürfnis nach Sicherheit und Selbster-
haltung.
Anerkennung als Aufgabenstellung für Bildung und
Gesellschaft
Bauman (1999) beschreibt in seinem Buch Unbehagen in der Postmoderne den
Pluralismus der Postmoderne bzw. der flüchtigen Moderne als ambivalent. Die
prinzipielle Offenheit im Gegensatz zur absoluten Ordnung erzeugt tiefgrei-
fende Orientierungsprobleme. Soziale Ordnungen wandeln sich ins Unge-
wisse, und über den Tätigkeiten schwebt das Gespenst des Überflüssigseins.
Eine postmoderne Ethik (mit Bezug unter anderem auf Lévinas) ist für Bauman
mehr als das Nebeneinander-Bestehen oder Tolerieren verschiedener Lebens-
Entwürfe, vielmehr geht es um eine Anerkennung der Verschiedenheit. Für
Lévinas (1995) wird die Ordnung des Sinnes, die er für die erste Ordnung hält,
zwischenmenschlich vermittelt. Er beschreibt eine angefangene Begegnung
mit dem Anderen als Verantwortung für diesen Anderen. Im Gegensatz zu Bu-
ber sind für Lévinas Begegnungen zu Beginn asymmetrisch und keine Wech-
selbeziehungen (vgl. ebd.: 132f.). Sein Verständnis von Sein und Verstehen
findet sich nicht im Subjekt, sondern im Antlitz des Anderen (vgl. ebd.: 22f.).
Doch dieses Andere ist ein „Außen ohne Anverwandlung“ (ebd.: 26), welches
dem Inneren als Fremdes gegenübersteht und nicht vereinnahmt wird (ebd.:
26f.). Ein Selbstbewusstsein bildet sich außerhalb unseres Selbst und je mehr
Antworten eine Person gibt, umso mehr Selbst wird sie. Subjektivität begrün-
det sich im Anderen.
„Kein Cogito kann mehr auftauchen, um die Gewißheit, was ich bin, zu garantieren, kaum
selbst die Gewißheit, daß ich bin. Dieses Dasein, abhängig von der Anerkennung durch den
Anderen, ohne die es sich als unbedeutend, als Realität ohne Realität versteht, wird vollends
phänomenal.“ (Ebd.: 37)
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Buch Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher