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“Ein erfolgreicher, international wettbewerbsfähiger Wirtschafts- und Forschungsstandort
Österreich benötigt ein Bildungssystem von hoher Qualität [,] beginnend mit der elementa-
ren Bildungsphase über die Grundschulzeit bis hin zu den Fachhochschulen, Pädagogischen
Hochschulen und Universitäten.“ (IV 2015: 1)18
Aktuell richtet sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Organisation von
transitiver Bildung, weil sie als Mittel der Formierung von benötigten Arbeits-
kräften gesehen wird. Das heißt, dass der Bildungsbegriff wirtschaftspolitisch
einseitig vereinnahmt wurde.
Zwölftens: Dass im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess selbst die
höchsten Repräsentanten organisierter „hoher“ Bildung, nämlich der Hoch-
schulkonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, den Sinn und
Zweck im Doktoratsstudium darin sehen, „[…] die Bedürfnisse der verschie-
denen Segmente des Arbeitsmarkts […]“ zu berücksichtigen, gibt zweierlei zu
erkennen: Diese Repräsentanten verkennen völlig die ursprüngliche Bestim-
mung von Dissertationen im Rahmen akademischer Qualifikationen: Nämlich
durch intensive Forschung wissenschaftliches Wissen zu vertiefen und zu er-
weitern. Sie übersehen nicht nur bezüglich des Doktoratsstudiums, dass es
nicht um spätere wissenschaftliche „[…] Tätigkeit im inner- und außeruniver-
sitären Arbeitsmarkt19 […]“ (HRK 2004) geht, sondern um wissenschaftliche
Tätigkeit im Arbeitsprozess – entweder im Beschäftigungssystem oder im Sys-
tem der Freien Berufe. Mit ihrer beschränkten Auffassung haben sie sich über-
dies die Sichtweise der Bologna-Erklärung mit dem Hauptziel der Reform, auf
employability (Beschäftigungsfähigkeit) hin auszubilden, zu eigen gemacht.
Dabei haben sie offensichtlich die Studien für akademische Freie Berufe, ja
sogar für das heutzutage von den Universitäten selbst propagierte selbständige
Unternehmertum von Graduierten aus dem Auge verloren (Kellermann 2009:
55ff.; Kellermann 2011: 109ff.).
Dreizehntens: Während sich die Sprache der Proponenten von „Bildungs-
politik“ um die Begriffe Bildungsbeteiligung, Bildungszugang, Bildungsver-
lauf, Bildungsergebnisse, gar Bildungsabschlüsse (!) dreht, sind die zentralen
Bildungsbegriffe des Globalen Konkurrenzkapitalismus: Bildungsanbieter,
Bildungsmarkt, Bildungsexport mit dem Verständnis von Bildung als Ware,
ihren Kosten, Erträgen und Renditen.
18 Für das nationale Bestehen im Globalen Konkurrenzkapitalismus soll „Bildung“ – genauer:
Schulung – genutzt werden; ist es dann nicht widersprüchlich oder kontextlos gesehen, den
staatlichen Verzicht auf Studienbeiträge von Studierenden zu solcher Bildung als „asozial“
zu bezeichnen? Im Wortlaut: „Wir sind der Meinung, dass ein System, das keine Studienge-
bühren hat, das asozialste ist […]“, Präsident der IV, Die Presse, 29.1.2015.
19 Der Ausdruck „Arbeitsmarkt“ wird sehr häufig nicht nur beschränkt wie der Ausdruck „Bil-
dung“ verwendet, sondern sogar falsch; gedacht (wenn gedacht wird) wird dann dabei an das
Beschäftigungssystem. Die falsche Verwendung der Markt-Metapher für das System abhän-
giger Beschäftigung hat sich anscheinend allgemein – wie in den Wirtschaftswissenschaften
– durchgesetzt.
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Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher