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Die forschende Haltung der Autorin stützte sich in Anlehnung an das (ar-
beits-)ethnografische Prinzip von Sven Lindqvist (1989) „Grabe, wo Du
stehst“9 u.a. auf eines der Prinzipien der GWA, nämlich auf „Partizipation im
Sinne von Mitdenken, Mitentscheiden und Mitverantworten“ (Rohrmoser
2013: 10). Lindqvist vertrat, so wie die GWA, den Standpunkt, dass die Be-
völkerung die eigene Sicht einbringen, an eigene Erfahrungen anknüpfen und
somit an der Zukunftsgestaltung mitwirken solle, sodass individuelle und kol-
lektive Interessen in Entscheidungen und Aktionen miteinfließen könnten (vgl.
ebd.).
Die Bürgermeister bzw. die Gemeinderätinnen und -räte, das zeigte sich
bereits während der Besuche in den jeweiligen Gemeindehäusern, verfügen
bezogen auf die jeweilige Gemeinde über ein genuines, lebensweltlich10 ge-
prägtes und arbeitsplatznahes Alltags- und Erfahrungswissen. Es hat sich in
den Interviews gezeigt, dass Bürgermeister in der Region Villach-Umland so-
zial stark vernetzt und authentisch bemüht sind, für alle BürgerInnen zentrale
Ansprechperson zu sein. Sie waren es auch, die in der Entwicklung der ge-
meindenahen Weiterbildungsangebote in Zusammenarbeit mit der PEKK, die
Wünsche und Erwartungen der BürgerInnen, der dörflichen Vereine und des
lokalen Ehrenamts größtenteils in die Planung eingebracht haben, auch wenn
eine „aktivierende Befragung“ (Rohrmoser 2013: 11) der BürgerInnen wohl
eine direktere Mitsprache ermöglicht hätte. Die politisch Verantwortlichen auf
der kommunalen Ebene sind meist selbst als BürgerInnen (und häufig als Ob-
mann/-frau) in ehrenamtlicher Tätigkeit engagiert. Sie kennen das lokale Ver-
einswesen von innen und außen. Dies hat schließlich die Projektleitung darin
bestärkt, die Bürgermeister selbst zu befragen. So basiert der vorliegende Bei-
trag auf zwei Annahmen, die sich aus Daten der Studie speisen:
Einerseits müssen sich ländliche Gemeinden in strukturschwachen Regio-
nen nolens volens wegen eines fortschreitenden demographischen Wandels11
immer mehr von bloßen Bildungsverwaltern zu regionalen Bildungsgestaltern
entfalten, wenn sie neben urbanen Lebensräumen bestehen, regionale Eigen-
ständigkeit bewahren und schließlich auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig
sein wollen. Studien von Aigner-Walder und Klinglmair (2015) sowie Rem-
disch und Müller-Eiselt (2011) haben übrigens eine Abwanderung junger Men-
schen aus Kärnten in andere österreichische Bundesländer festgestellt.
9 Die Grabe-wo-Du-stehst-Bewegung wurde 1978 in Schweden gegründet und machte Alltags-
geschichte zum zentralen Thema (vgl. Lindqvist 1989). Sven Lindqvist forderte die schwe-
dische Bevölkerung auf, die eigene Geschichte, die aus mündlichen Überlieferungen hervor-
gehe, nutzbar zu machen, da es sich dabei um von der traditionellen und professionellen Ge-
schichtsschreibung übersehenes Material handle (vgl. Lindqvist 1989).
10 Zum Lebensweltbegriff siehe Cennamo/Kastner/Schlögl (2018).
11 Schwächere Geburtenkohorten, die die Altersstruktur von den Jüngeren hin zu Älteren ver-
schieben und einer in Kärnten nur marginal prognostiziert wachsenden Bevölkerung bis 2030
(vgl. Statistik Austria 2019).
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Buch Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher