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„freie“ Bildungsarbeit ebenso kein neues Phänomen und hatte bereits in der
Vergangenheit einen selbstbestimmten und emanzipatorischen Charakter:
„Am Anfang standen die Lesegesellschaften des 18. Jahrhunderts, die nur einem kleinen
Adressatenkreis gebildeter Bürger offenstanden. Schon im beginnenden 19. Jahrhundert bil-
deten sich die ersten berufsbezogenen Zusammenschlüsse [...], die vorrangig der beruflichen
Fortbildungen dienen sollten, gefolgt von Handwerker- und Arbeiterbildungsvereinen (Berg
u.a. Bd.III 1987). Auch die Kirchen, in ihrer früheren Funktion als Träger des Schulwesens
weitgehend abgelöst, gründeten eigene Volksbildungsvereine, daneben wurden kommunale
Bücherei- und Lesevereine, die ebenfalls Bildungsaufgaben wahrnahmen, sowie andere Trä-
ger „freier” Volksbildung geschaffen (Berg u.a. Bd.IV 1991 und Bd.V 1989).“ (Messer-
schmidt/Grebe 2003: 57f.)
Den gegenwärtigen Stellenwert freier Bildung bzw. des „impliziten Lernens“
in offenen Formaten wie „Reallabors oder DenkBar’s“ im Rahmen sozialer
Bewegungen und/oder in selbstorganisierten Lernkontexten wie „in der sozia-
len Interaktion (Familie, Nachbarschaft, Arbeitsteam, Interessengemein-
schaft)“ (ebd.: 59) zu reflektieren, scheint nicht zuletzt auch in Anbetracht his-
torischer Formate wie die Studienzirkel in Dänemark (vgl. Bartelmuhs 1993),
die Arbeitsgemeinschaften in der Weimarer Erwachsenenbildung (vgl. Nolda
2017) oder beispielsweise die Fachgruppen der Volkshochschule Ottakring
der 1920er Jahre (vgl. Filla 2014), die alle primär auf Austausch und nicht auf
Belehrung angelegt waren/sind, eine wichtige Aufgabe für die Erwachsenen-
bildungsforschung zu sein.
Vereine und Verbände waren seit dem 19. Jahrhundert (damals auf die bür-
gerliche Gesellschaft bezogen) „Ausdruck selbst organisierter Interessenver-
tretung” (Messerschmidt/Grebe 2003: 57). Ähnlich verhält es sich gegenwärtig
in den Gemeinden, wo sich ein starkes Bewusstsein für gemeinnützige Bedarfe
zeigt. Das lokale Vereinswesen wird in allen Interviews zentral gesetzt, wenn
es beispielsweise um die Frage des lebensbegleitenden Lernens geht. Allein in
der Leader-Region Villach-Umland gibt es laut Vorstudie12 578 Vereine. Die
Bürgermeister nannten nicht nur gemeinnützige und kulturell wertvolle Tätig-
keiten der Vereine selbst, sondern auch Überlegungen dazu, wie beispielsweise
neue Vereinsgründungen im Bildungsbereich unterstützt werden könnten.
Diese neuen Bildungsinitiativen, die nicht zuletzt auf unternehmerisches En-
gagement hinweisen, wurden mehrfach erwähnt. Daneben betonen Bürger-
meister jedoch auch ihre Sorge um die Zukunft des lokalen Vereinswesens.
Das Freiwilligenengagement sei in Folge eines strengeren und umstrittenen
Vereinsgesetzes auf dem Land bedroht. Es bestünde das Risiko einer geringe-
ren Verantwortungsübernahme von Seiten der BürgerInnen, wenn es u.a. da-
rum geht, für ehrenamtliche Tätigkeit mit persönlichem Vermögen haften zu
müssen. Es ließen sich laut Erfahrungsbericht der InterviewpartnerInnen in den
12 Im Rahmen ihrer Praktika beim Land Kärnten erhoben Theresia Trojer und Christoph Tragl
die Vereine in der Region Villach-Umland und stellte damit relevante Kontextinformationen
für die vorliegend dargestellte Studie bereit.
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Buch Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher