Seite - 141 - in Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Bild der Seite - 141 -
Text der Seite - 141 -
141
Sprache des Herkunftslandes nicht gehört wird oder keinen Raum findet. Die
Geste vom Schweigen ins Reden, als ein Moment von Subjektwerdung, kann
im Rap, der auch Räume für gegenhegemoniale Diskurse eröffnet, ermöglicht
werden. So können Randräume zu Orten von Möglichkeiten und einer Beja-
hung des eigenen Potentials werden (vgl. Reuter/Karentzos 2012: 183).
HipHop und Rap als subkultureller Raum der Jugendkultur „bieten eine
Identifikations- und Projektionsfläche für ganz unterschiedliche Gruppen und
Motivationen“ (Bock/Meier/Süss 2007: 12). Dementsprechend werden im Rap
Geschichten von Grenzerfahrungen und Grenzziehungen erzählt, die den Ak-
teurinnen und Akteuren eine Möglichkeit bieten, ihre Sicht der Dinge darzu-
stellen. HipHop gilt als Emanzipationspraxis: „Auf der Suche nach eigenen
Identitätsentwürfen werden ethnische und kulturelle Marginaliserungen bzw.
postkoloniale Benachteiligungen im HipHop thematisiert und verarbeitet.“
(ebd.: 13) Identität kann in den eigenen Texten reinszeniert und umgedeutet
werden. In unserer gegenwärtigen Gesellschaft als Inszenierungsgesellschaft
(Willems/Jurga 1998) erscheint positive Selbstdarstellung schon fast als Not-
wenigkeit, und doch bieten HipHop und Rap auch einen Raum, in dem heraus-
fordernde Erfahrungen einen Platz finden können. So entstanden Texte von
den Jugendlichen:
„Wir wurden angesprochen, ausgelacht, verfolgt und verletzt wegen Hautfarbe, Herkunft,
Geschlecht gehetzt bestraft wegen Überzeugung und Religion, überall nur Chaos und Kor-
ruption.“ (aus Text von Schülern/Schülerinnen)
„Mein Land. Mein Land. War wie ein Paradies. Aber nach dem Krieg. Ich bin nach Öster-
reich gekommen. Ich. Wer bin ich. Wer bin ich. Ich bin ein kleines Kind. Wo ist meine
Mutter. Wo ist mein Vater. Wo sind meine Geschwister. Wo sind alle. Warum bin ich alleine.
Warum. Warum. Ich will doch nur befriedet sein. Danke Österreich. Wer bin ich. Wer bin
ich.“ (aus Text von Schülerinnen/Schülern)
Besonders Raps, die in Muttersprachen wie z.B. Dari/Farsi entstanden, erzeug-
ten einen Raum von Emotionalität, in dem Sprache als eher nebensächlich er-
schien. Zugleich erhielten die im Ankunftsland meist entwerteten Sprachen ei-
nen öffentlichen Raum der Anerkennung, was sowohl sprachpädagogisch (für
das Erlernen der Zielsprache, vgl. Cummins 1984) als auch für die Erfahrung
von Selbstwirksamkeit und Ermächtigung von Bedeutung ist. In diesen Mo-
menten öffneten die ausgedrückten Erfahrungen einen Raum von Resonanz, in
der zugleich Sichtbarkeit entstehen konnte. In den performativen Akten konn-
ten die Jugendlichen Zustimmung und Befürwortung des eigenen Ausdrucks
und der eigenen Person erfahren. Die Befürwortung und Wertschätzung der
Person unterscheidet Anerkennung von dem bloßen Erkennen (Honneth 2003).
Wimo goes rap zeigte auch Grenzen auf, die bei weiteren Projekten berück-
sichtigt werden sollten: Wird Partizipation als ein Einmischen und Sichtbar-
werden im öffentlichen Raum verstanden, war die Teilhabe der weiblichen Ju-
gendlichen (nur) als Zuseherinnen gegeben. Die Bühne war der Raum der
männlichen Jugendlichen. Ein wesentlicher Aspekt „Feministischer Pädagogik
zurück zum
Buch Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Titel
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Untertitel
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Autoren
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Herausgeber
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Abmessungen
- 14.7 x 21.0 cm
- Seiten
- 190
- Kategorie
- Lehrbücher