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26 | www.limina-graz.eu isiert. [âŠ] TatsĂ€chlich regiert das Christentum, indem es die Frage der
Wahrheit in Bezug auf das Anderswerden eines jeden stellt.â (Foucault
2014, 220)
FĂŒr Foucault schlĂ€gt in dieser Selbstthematisierung, im GestĂ€ndnis der
Wahrheit ĂŒber sich die Geburtsstunde des modernen Subjekts. Zweierlei
macht es aus: die Dopplung von Unterwerfung (sujet) und Selbstbewusst-
werdung des Eigenen als starke âSubjektivitĂ€tâ sowie der dauernde Zwang
zu Selbstbeobachtung und Selbstthematisierung zum Zwecke der Aus-
treibung des âAnderen in sichâ, also zur â im Christentum: moralischen
â Selbstoptimierung. Die neue Machtform des Pastorats koppelt Wissen,
Macht und SubjektivitÀt in einer ganz spezifischen Weise. Das ist es, was
Foucault an ihr interessiert, denn diese Kopplung hat nicht nur einen christ-
lichen Ursprung und ihre spezifische Geschichte im Christentum, sondern
eine Folgewirksamkeit weit ĂŒber das verfasste Christentum hinaus.
Denn die Pastoralmacht, vom Christentum und seiner âKircheâ, besser:
seinen âKirchenâ entwickelt und eingesetzt, wandert, so Foucault, in der
Neuzeit nach und nach aus dem Christentum aus, diffundiert in vielfÀltige
andere Institutionen, vor allem zum nun entstehenden modernen Staat.
Er lernt vom Christentum, wie man Menschen regiert. Foucault analysiert
diese Prozesse in seinem SpÀtwerk unter dem von ihm geprÀgten Begriff
der GouvernementalitÀt.
Foucault versteht darunter âdreierleiâ. Zum einen
âdie Gesamtheit, gebildet aus den Institutionen, den Verfahren, Analysen
und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken, die es gestatten,
diese recht spezifische und doch komplexe Form der Macht auszuĂŒben,
die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als Hauptwissensform die
politische Ăkonomie und als wesentliches technisches Instrument die Si-
cherheitsdispositive hat.â (Foucault 2000, 64)
Dann fÀllt darunter die
âTendenz oder die Kraftlinie, die im gesamten Abendland unablĂ€ssig
und seit sehr langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus, den
man als âRegierungâ bezeichnen kann, gegenĂŒber allen anderen â Sou-
verĂ€nitĂ€t, Disziplin â gefĂŒhrt und die Entwicklung einer ganzen Reihe
spezifischer Regierungsapparate einerseits und einer ganzen Reihe von
Wissensformen andererseits zur Folge gehabt hat.â (Foucault 2000, 65)
Drittens aber versteht Foucault
Rainer Bucher | Die aktuelle Logik der Welt
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven