Seite - 39 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Bild der Seite - 39 -
Text der Seite - 39 -
39 | www.limina-graz.eu 4.
Wie wir regiert werden, hat Folgen auch im Außen der Gesellschaft. Hart-
mut Rosas Buch zu den Zeitstrukturen in der Moderne (vgl. Rosa 2005,
489) lässt da keine Illusionen und endet mit einer desaströsen Alternative:
Angesichts der „totalen Mobilmachung“ (Rosa 2005, 489) der modernen
kapitalistischen Zivilisation drohe die Alternative von „finale[r] Katastro-
phe“ oder „radikale[r] Revolution“ (Rosa 2005, 489). Diese fatale Alterna-
tive ist die Konsequenz einer kulturellen und gesellschaftlichen Diagnose,
die „soziale Beschleunigung“ als zentrales, letztlich einziges (Rosa 2016,
673)1 Differenzkriterium moderner Gesellschaften ansetzt und schließlich
zu einer apokalyptischen Diagnose wird: Wir alle rasen dem eigenen Un-
tergang entgegen.
Moderne „und nichtmoderne Gesellschaften“ lassen sich nach Rosa
„ganz unabhängig von ihrer historischen Einordnung systematisch und
trennscharf unterscheiden“, insofern in modernen Gesellschaften nur
noch „dynamische“ und eben nicht mehr „adaptive“ Stabilisierung (Rosa
2016, 675) möglich sei: Sie „gewinnen Stabilität gleichsam in und durch
Bewegung“. Insofern „diese Bewegung“ aber mit der „Trias Wachstum,
Beschleunigung und Innovationsverdichtung“ dann „genauer als eine
Steigerungsbewegung bestimmt werden“ (Rosa 2016, 673) könne, ist die
„wahrscheinlichste[…] Möglichkeit“ unter den Zukunftsszenarien moder-
ner Gesellschaften das
„ungebremste[…] Weiterlaufen in einen Abgrund, der logisch durch
das endgültige Zusammenfallen der Antinomien von Bewegung und
Beharrung und durch die Realisierung […] des rasenden Stillstandes
als Kehrs eite der totalen Mobilmachung, empirisch aber vermutlich
lange vorher entweder durch den Kollaps der Ökosysteme oder durch den
endgültigen Zusammenbruch der modernen Sozial- und Werteordnung
unter dem Druck der wachsenden Beschleunigungspathologien und der
Macht ihrer dadurch begünstigten Feinde bezeichnet wird.“ (Rosa 2005,
489)
Rosa beschreibt das sehr konkret.
Den „Verlust der Fähigkeit, Bewegung und Beharrung zu balancieren“,
so Rosa, „wird die moderne Gesellschaft schließlich mit der Erzeu-
gung nuklearer und klimatischer Katastrophen, mit sich rasend schnell
aus breitenden neuen Krankheiten oder neuen Formen des politischen
Zusammenbruchs und der Eruption unkontrollierter Gewalt bezahlen,
Rainer Bucher | Die aktuelle Logik der Welt
1 Zur Kritik des neo-romantischen
Erlösungskonzepts bei Rosa: Bucher
2017.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven