Seite - 62 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Bild der Seite - 62 -
Text der Seite - 62 -
62 | www.limina-graz.eu Fall zu Fall“ (Weber 1972 [1921/22], 259). Dabei handelt es sich um private
Dienstleistungen, für die die Kunden jedes Mal einen Kaufpreis bezahlen
müssen. Dem entsprechen etwa die Angebote säkularer Askese- oder Fas-
tenprogramme. Der Preis solcher Angebote ist oft hoch und kann sogar
überraschen, wenn es um eine Fastenwoche geht, auf der man eigentlich
nichts isst. Ein hoher Preis ist aber auf dem Markt ein Kriterium für Quali-
tät, besonders dann, wenn man die Qualität der Dienstleistung im Voraus
nicht evaluieren kann.
Könnte es sein, dass wir in den westlichen Gesellschaften gegenwärtig die
Verzauberung der Welt durch einen ökonomisch und medial gesteuerten
Konnex zwischen Waren bzw. Märkten und Glücksverheißung durch Kon-
sumrituale erleben, nachdem die religiös-institutionelle Verzauberung
im Sinn der Kultur- und Machtgeschichte des Christentums an ihr Ende
gekommen ist? Sowohl im realen als auch im virtuellen Raum sind ja Akte
des Kaufens und Konsumierens zu Sinn und Heil verheißenden Ritualen
avanciert; angeleitet und inszeniert durch eine überaus wirkungsvolle
Koppelung von Werbestrategien und neuen Kommunikationstechnologien.
Der Akt des Kaufens selbst ist zu einem Zauber geworden – von den verhei-
ßungsvollen Lockmitteln der Werbung über das Bestellen, den Warenkorb,
die Bezahlung, die Lieferung, bis zum Empfang der Ware – zu einem Zau-
ber, der nicht nur den individuellen und sozialen Status der KonsumentIn-
nen repräsentiert, sondern die gesamte Ökonomie und alle mit ihr verbun-
denen Systeme maßgeblich mitbeeinflusst, bis hin zu den staatlichen und
internationalen Ordnungen und Machtverhältnissen.
„Es ist die Universalität des Geldes, die offensichtlich die funktionale
Differenzierung moderner Gesellschaften durch die Geldbestimmtheit
aller Vorgänge wieder entdifferenziert, d. h. vereinheitlicht. Diese Ver-
einheitlichung scheint die moderne Weise der Integration komplexer Ge-
sellschaften zu sein. Sie begründet auch die gesellschaftliche Allgegen-
wart und Bedeutung des Geldes, die weit über ökonomische Zusammen-
hänge hinausgeht.“ (Höhn 2007, 91)
So sehr es ein Zeichen von Autonomie und selbstbestimmtem Leben ist,
sich etwas leisten und kaufen zu können, so sehr ist es gleichzeitig ein un-
abdingbarer Zwang geworden, Marktgüter und Dienstleistungen konsu-
Peter Ebenbauer und Isabelle Jonveaux | Zwischen Selbstermächtigung und Unterwerfung
Erleben wir gegenwärtig die Verzauberung der Welt durch einen Konnex
zwischen Märkten, medialen Glücksverheißungen und Konsumritualen?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven