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77 | www.limina-graz.eu eine – auch für weitere Aktualisierungen offene – Lehr- und Beispiel-
erzählung von Widerstand aus und mit der Kraft Gottes zu entwerfen.
Wenn etwa der feindliche Großkönig, der als „der Herr der ganzen Erde“
(Jdt 2,5) die Weltherrschaft inklusive universale göttliche Verehrung
beansprucht, als assyrischer König in Ninive mit dem Namen Nabuchodo-
nosor präsentiert wird (1,1), sind in einer Synthese verschiedener histo-
rischer Epochen die assyrische wie babylonische Übermacht überblendet
(722 Eroberung des Nordreichs Israel und 701 Belagerung Jerusalems durch
assyrische Truppen, 587 Eroberung des Südreichs Juda und Zerstörung Je-
rusalems durch den babylonischen König Nebukadnezzar, dessen Vater
Na bopolassar 612 Ninive eingenommen und zerstört hatte12). Entspre chend
werden im Abriss der Geschichte Israels, der in einem ironischen Kniff
einem Ammoniter (vgl. dazu Dtn 23,4/Jdt 14,10) namens Achior13 in den
Mund gelegt wird (Jdt 5,5–21), woraufhin er vom Truppenführer als
„Prophet“ verspottet wird (6,2), nach Ägypten keine Großmächte mehr
namentlich erwähnt. Hinzu treten Anspielungen auf die persische (so
bezieht etwa der Schlusshymnus neben Assur in 16,3 die Perser und Meder
in V. 10 mit ein) sowie die seleukidische Oberherrschaft (vgl. Schmitz/En-
gel 2014, 51–52). In Jdt 4,3 „verschmilzt die Wiedererrichtung des Tempels
nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil im 6. Jh. mit der Wiederein-
weihung des Tempels nach den makkabäischen Auseinandersetzungen im
2. Jh.“ (Schmitz 2006, 11; vgl. 1 Makk 4,36–59; 2 Makk 10,1–8).
Der – auf Jerusalem hin transparente (vgl. die assyrische Belagerung durch
Sanherib in 2 Kön 18–19; Jes 36–37; 2 Chr 32 als intertextuelle Folie) –
Schauplatz Betulia14 (eine fiktive Stadt, dazu Schmitz/Engel 2014, 59–61)
wird wiederum im Gebiet von Jesreel in der Nähe von Dotan (vgl. Jdt 4,6)
lokalisiert, wo Jaël den Kampf mit dem kanaanäischen König Jabin und
dessen Heerführer Sisera entschied (Schmitz 2006, 11; Zenger 1981, 440),
indem sie Letzteren – wie Judit Nabuchodonosors General Holofernes (vgl.
auch die Referenz auf Ri 4,9 in Jdt 9,10; 13,15; 16,5 mit dem Motiv „durch
die Hand einer Frau“) – im Zelt tötet.15 Daneben zeigt sich eine Interfigu-
ralität Judits – auch „cross-gender“ – mit Mirjam und Mose sowie Debora
(siehe insbesondere deren Lieder in Ex 15; Ri 5), darüber hinaus mit Da-
vid (in 1 Sam 18,23 LXX als „niedrig“/ταπεινός charakterisiert), der Goliat
ebenso mit dessen Schwert enthauptet, woraufhin die Philister fliehen
Andrea Taschl-Erber | Die Macht der Ohnmächtigen
Collageartig werden im Juditbuch Katastrophen- sowie Rettungserfahrungen
im kollektiven Gedächtnis Israels aktualisierend verdichtet.
12 Dennoch wirkt der Ruf der Stadt
als Inbegriff von Unrecht und Gewalt
(siehe bes. auch Nah 3) noch lange
nach: vgl. etwa Jona 1,2; 3,8.
13 Der Name erinnert an den weisen
Achikar (vgl. Zenger 1981, 435–436).
14 „Haus Gottes“ nach Zenger 1981,
435; ähnlich klingt jedoch auch ein
geläufiger Titel für Städte, die als
„junge Frau“ (הלותב) bezeichnet
werden (siehe z. B. Zion in 2 Kön
19,21 = Jes 37,22: ).
15 Zu Ri 4 siehe Eder 2008 und 2013.
ןויִֹּצ־ת
ַּבת
ַּלוּת
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Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven