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80 | www.limina-graz.eu οὐ γὰρ ἐν πλήθει21 τὸ κράτος σου,
οὐδὲ ἡ δυναστεία σου ἐν ἰσχύουσιν,
ἀλλὰ ταπεινῶν εἶ θεός,
ἐλαττόνων εἶ βοηθός,
ἀντιλήμπτωρ ἀσθενούντων,
ἀπεγνωσμένων σκεπαστής,
ἀπηλπισμένων σωτήρ
Denn nicht durch die große Zahl (besteht) deine Macht,
noch deine Herrschaft durch die Starken,
sondern der Erniedrigten bist du Gott,
der Geringen bist du Helfer,
Beistand der Schwachen,
der Verzweifelten Beschützer,
der Hoffnungslosen Retter. (9,11; vgl. Ex 15,2 LXX)
Damit gibt Judit auch eine Antwort auf die Frage des Holofernes in 5,3 an-
gesichts des Widerstandes der IsraelitInnen, worin ihre Kraft und Stärke
liege (wobei er auf eine die militärische Streitmacht als Stärke eines Vol-
kes fokussierende nationale Ideologie abhebt; vgl. auch 5,23) – und wer
ihr König sei, der ihr Heer anführe. Einen irdischen König hat Israel aber
nicht (mehr). Im Vertrauen auf die biblische Überlieferung, wessen Macht
den Geschichtsverlauf bestimmt (vgl. 9,5–6), ruft Judit den „Gott des Erb-
be sitzes Israel“ als „Gebieter der Himmel und der Erde“ und „König deiner
ganzen Schöpfung“ an (9,12; zum universalen Schöpfungshorizont vgl. auch
16,14–15); Nabuchodonosor nennt sie dagegen im assyrischen Lager – wie
es zuvor schon Holofernes in 11,1 tat – „König der ganzen Erde“ (11,7). Alle
sollen zur Erkenntnis kommen, „dass du der Gott bist, [Gott] aller Macht
und Stärke“ (9,14; ähnlich 13,4). Ebenso bezeichnet sie die Gottheit in 16,13
als „groß, herrlich, wunderbar in der Stärke, unübertrefflich“ (vgl. etwa
Ex 15,1.6.11.21), wie auch, „wer den Herrn fürchtet, groß für immer“ ist
(Jdt 16,16).
Angesichts der Bedrohungssituation greift Gott in der Erzählung nicht ein
wie ein deus ex machina. Nur in 4,13 lassen sich auf der narrativen Ebene
aktive Handlungen ausmachen, wenn JHWH/κύριος – der Exodus-Tradi-
tion entsprechend – auf die Stimme der Flehenden „hinhört“ und auf ihre
Bedrängnis „hinsieht“ (vgl. auch 1 Sam 1,11). Die rettende Tat wird von Ju-
dit, aber auch in einem deutenden Kommentar der Erzählstimme dennoch
Gott zugeschrieben (15,8: „was JHWH/κύριος für Israel getan hatte“). In
Judit wird „Gottes Präsenz in der Welt durch menschliches Handeln in der
Andrea Taschl-Erber | Die Macht der Ohnmächtigen
21 Vgl. Jdt 9,7: ἰδοὺ γὰρ Ἀσσύριοι
ἐπληθύνθησαν ...
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven