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94 | www.limina-graz.eu Der Krieg in Syrien beginnt mit friedlichen Protesten gegen die Politik des
Regimes der Baath-Partei von Bashar al-Assad. Bald darauf finden die ers-
ten Gewaltakte statt, die sich gezielt gegen bestimmte Religionsgruppen
richten. So gerät der Konflikt in den Sog der regionalen Machtdynamik
zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Das Phänomen „Islamischer Staat“
(IS) sowie die Ausrufung eines Kalifats durch den Anführer der Miliz mar-
kieren vorerst den Höhepunkt einer Eskalation entlang religiöser Kate-
gorien. Schließlich wird Syrien gemeinsam mit dem Irak nicht nur zu
einem Jihad-Schauplatz für viele Tausende Muslime und Musliminnen aus
der ganzen Welt, sondern auch zum Mutterland weiterer Ableger des IS in
mehreren Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Die Ausläufer die-
ser um sich greifenden Dynamik manifestieren sich als Terrorbedrohung
in Europa und Nordafrika. (ICG 2013)
Am Anfang steht ein zivilgesellschaftlicher Protest, am Ende religiös ar-
gumentierte Terroranschläge auf einem anderen Kontinent. Ein lokales
politisches Ereignis wird zu einem landesweiten Konflikt mit religiöser
Signifikanz, dessen Konfliktdynamik die Grenzen des Nationalen über-
schreitet. Während unklar ist, inwieweit Religion zur Regionalisierung und
Internationalisierung von Konflikten beiträgt, so zeigen empirische Stu-
dien, dass der Faktor Religion einen signifikanten Einfluss auf Konflikte
hat: Sie dauern länger als Konflikte, in denen Religion keine Rolle spielt,
weisen ein höheres Gewaltniveau auf, schädigen die Zivilbevölkerung in
einem höheren Ausmaß und sind schlichtungsresistenter. (Tusicisny 2004)
Konflikte mit religiöser Prägung stellen aber nicht nur aufgrund ihrer In-
tensität eine Herausforderung für die internationale Ordnung dar, sondern
auch wegen ihrer Häufigkeit. Voneinander unabhängige Studien zählen
gegenwärtig mehr als die Hälfte aller Konflikte zu den religiös geprägten.
War diese Art von Konflikt bis in die 1980er von geringerer Bedeutung, so
nahm sie von da an konstant zu. Dies betrifft sämtliche Religionen, vom
Christentum, Judentum, Islam über Buddhismus, Hinduismus hin zur
Sikh-Religion. Der Islam ist etwas häufiger als andere Religion in Konflik-
ten vertreten, ebenso wie der Nahe Osten und Nordafrika die Region mit
den meisten Konflikten dieser Art ist. (Toft 2007, 97–98; Fox 2012; Pew
Research Center 2014)
Dieser Aufsatz skizziert ein paar Überlegungen zur Religion in ihrem Po-
tential zur Beeinflussung der internationalen Ordnung am Beispiel des Na-
hen Ostens und Nordafrikas. Die internationale Relevanz von Konflikten
religiöser Prägung in jener Region liegt zum einen in ihrer Verantwortlich-
keit für den weltweiten Anstieg an gewaltförmigen Konflikten seit 2011.1
Maximilian Lakitsch | Religion und Konflikt in den Internationalen Beziehungen
1 Siehe etwa Darstellungen wie jene
des Center for Systemic Peace. (Mar-
shall 2017)
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven