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97 | www.limina-graz.eu Nun ist die Bezeichnung religiöse Konflikte nicht nur deshalb etwas zu ver-
einfacht, da sie die ontologische Vielgestaltigkeit des Phänomens Religion
kaum fassen kann, sondern auch, da sie dazu beiträgt, gewisse Prozesse
zu verbergen, die Religion zu einem Konfliktfaktor gemacht haben. Rogers
Brubaker hat vor einer Quasi-Naturalisierung kognitiver Kategorien ge-
warnt, welche dazu beiträgt, sozio-politische Prozesse zu ignorieren, auf
deren Fundament die in jenen Kategorien ausgedrückte Wirklichkeit ruht.
(Brubaker 2002, 166)
Zu diesen Prozessen und kausalen Zusammenhängen von Religion und
Konflikt haben Hasenclever und Rittberger (2000) drei in der Literatur
existierende Erklärungsmodelle zusammengefasst. Sowohl Instrumen-
talisten als auch Konstruktivisten legen den Analysefokus auf die Prozesse,
welche Religion zu einem Konfliktfaktor gemacht haben. Instrumentalisten
fokussieren im Besonderen auf partikulare Interessen von Einzelnen oder
Gruppen, welche Religion als Mobilisierungsinstrument nutzen. So wird
Religion aus ökonomischen oder politischen Interessen zu einem Kon-
fliktfaktor. Konstruktivisten hingegen legen ebenso einen Schwerpunkt
auf den konstruierten Aspekt, schwächen aber das Element der bewussten
Steuerung des Prozesses etwas ab. Vielmehr würden sich hinter Konflikten
Mängel und Bedürfnisse jenseits von Religion verbergen, die aber aufgrund
von präsenten Narrativen bzw. Kontexten sich religiös artikulieren. Für
den Primordialismus schließlich ist der sozio-ökonomische oder politische
Prozess hinter dem Konfliktfaktor Religion von minderer Bedeutung: Reli-
gion wird als primärer kausaler Konfliktfaktor beschrieben. (Hasenclever/
Rittberger 2000, 643–650)
Dennoch lassen sich diese drei idealtypischen Paradigmen der Kausalität
von Religion und Konflikt wohl nicht streng voneinander trennen. Die
Grenzen zwischen instrumentalistischer und konstruktivistischer Be-
schreibung sind oft verschwommen und durchlässig. Darüber hinaus ist
ein gewisser primordialistischer Akzent in jedem Fall von einer gewissen
Re levanz. Schließlich reflektieren die handelnden Akteure selbst die Kon-
struiertheit des Konfliktes meistens wohl kaum mit und handeln aus sub-
jektiver Überzeugung heraus. Diese Dynamik mag ihren Ursprung in der
inneren Logik von Religion selbst haben, als etwas, das „powerful, per-
Maximilian Lakitsch | Religion und Konflikt in den Internationalen Beziehungen
Die Bezeichnung „religiöser Konflikt“ kann dahinterliegende Prozesse verbergen,
welche die Religion erst zu einem Konfliktfaktor gemacht haben.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven