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118 | www.limina-graz.eu den anderen Synoptikern – werden sie aber in den Vordergrund gestellt,
wodurch sie einen theologischen Sinn bekommen.
Man denkt herkömmlicherweise nicht weiter über die beiden Ortsangaben
nach, wenn die Rede auf Jesus, den Christus, kommt. Die Geschichte wird
in Caesarea einfach lokalisiert als „[a]uf dem Weg nach Jerusalem“ (Kasper
2007, 165). Gleichwohl erzeugt der Hinweis Jesu auf Jerusalem an seinem
topologischen Antipoden starken Widerspruch ausgerechnet bei Petrus.
Der Jünger, gerade erst zum kirchlichen Felsen erklärt, wird dabei zum
Antipoden des Versprechens Jesu an ihn selbst, obwohl mit Jerusalem di-
rekt der Kernbestand des christlichen Glaubens verknüpft wird. Jesus ver-
spricht, er werde getötet werden, aber am dritten Tage werde er auferste-
hen (Mt 16,21). Das, worum es im christlichen Glauben geht, Jesu Tod am
Kreuz in Jerusalem und seine Auferstehung dort als Christus, tritt hier als
verheißungsvolles Versprechen auf. Jesus verknüpft direkt seine Existenz
mit diesem Glauben; er gibt sich mit Leib und Leben hin, um offenbar zu
machen, was dieser bedeutet. Es wird später viel weniger sein eigener, jü-
discher Glauben sein, worin er zum Vorbild des christlich-gläubigen Men-
schen schlechthin wird, als vielmehr dieses radikale Einstehen. Wer ihm
nachfolgt, muss zum Martyrium bereit sein. Wer nicht diese komplexeste
Form des Glaubens verspricht, wird sich unweigerlich ver-sprechen, wenn
es darauf ankommt.
Aber ausgerechnet das vorweggenommene kirchliche Glaubensbekenntnis
par excellence weckt entschiedenen Widerspruch bei Petrus. Es ist sogar von
„Vorwürfen“ (Mt 16,22) die Rede, nachdem er Jesus beiseite genommen
hat, als wäre er jetzt die Hauptfigur. Auf das kirchliche Glaubensbekenntnis
folgen also Vorwürfe ihres Felsens. Das kann natürlich von den gläubigen
Leserinnen und Lesern nicht einfach hingenommen werden; dafür muss
Petrus schon starke Gründe liefern: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf
nicht mit dir geschehen!“ (Mt 16,22) Wie zuvor Jesus bemüht Petrus ein
Versprechen in die Zukunft. Aber dafür soll Gott gerade stehen. Er wird be-
müht, damit das Versprechen, das Jesus selbst gegeben hat, nicht eintritt:
nach Jerusalem zu gehen, dort am Kreuz zu sterben und aufzuerstehen.
Die Macht Gottes sichert das Versprechen des Petrus auf Zukunft hin. Das
scheint uns nur allzu verständlich. Welcher Anhänger kann der verehrten
Person schon ein Ende wie im Versprechen Jesu wünschen? Doch überra-
Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen
Der Jünger, gerade erst zum kirchlichen Felsen erklärt,
wird dabei zum Antipoden des Versprechens Jesu an ihn selbst.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven