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120 | www.limina-graz.eu sem Hoheitstitel und das wird hier aufgegriffen. Im satanischen Vers des
Petrus wird daher Gott gegen Gott ausgespielt. Gott wird zerrissen, was
nochmal eine Stufe schärfer ist als die üblichen Götterkämpfe der altorien-
talischen Kulturen. Es hat ein nicht zu überbietendes Zerstörungspotential,
mit Gott gegen Gott zu kämpfen. Dieser Kampf geht nicht nur schlecht aus,
er gebiert das Böse. Man ist dann so besessen von Gott, dass man Gott aus
dem Feld schlagen will. Die Macht, die dabei entsteht, ist in jeder Hinsicht
zerstörerisch. Deshalb wird dieser Kampf von Jesus als Satan vom Platz ge-
schickt. Es ist nicht möglich, darauf einzugehen, ohne dem Bösen zu ver-
fallen.
Das hat Gründe, die in der Glaubensgemeinschaft liegen, und es hat Gründe,
die in der Theologie selbst liegen. Die erste Garnitur der Gründe besteht da-
rin, dass mit dem Satz des Petrus der Gegensatz zwischen jenem Glauben,
den Caesarea Philippi lokalisiert, und diesem, den Jerusalem verortet,
nicht zu überwinden wäre. Das Bekenntnis zu Christus, für das Paulus steht
und das in Caesarea aufgegriffen wird, gerät dann mit den lokalisierbaren
Grundlagen dieses Glaubens in Kreuz und Auferstehung Jesu, auf denen die
Synoptiker bestehen, in einen heillosen Gegensatz. Den macht nicht zufäl-
lig Petrus, der Fels der Kirche, auf; denn die Ausstattung mit der Macht
dieser Verheißung neigt dazu, sich über alles andere erhaben zu wähnen.
Das aber zerstört den Fels, dem die Mächte der Unterwelt ja nichts anha-
ben können. Dieser Fels kann jedoch an sich selbst zerbrechen, wenn er den
Gipfel über allem anderen ver-spricht. Gerade der Fels Petrus muss flexibel
und relativ zu allem anderen gehalten werden, um tragfähig zu sein. Denn
zerstören können ihn nicht die angreifenden Mächte der Unterwelt, wohl
aber die schamlose Selbstermächtigung.
Die zweite Garnitur an Gründen liegt in der Theologie selbst. Es ist die Rede
von Gott selbst, die ständig davon bedroht ist, die Orte Gottes, die sie auf-
spürt, mit Gott zu verwechseln. Sobald sie aus diesen Orten Utopien macht,
statt sich heterotop zu begreifen, gerät sie in diese Bedrohung.
Darum hat es keinen Sinn zu sagen, man muss nur den Fels des Petrus, also
das Papsttum, nivellieren, und dann wäre man den satanischen Vers des
Petrus schon los. Das wäre bloß eine bemühte Utopie. Die Bedrohung der
Theologie von der Theologie selbst her wäre so längst nicht bewältigt; sie
geht nicht vom Papstamt aus, aber kann den jeweiligen Amtsträger sehr
Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen
Es hat ein nicht zu überbietendes Zerstörungspotential,
mit Gott gegen Gott zu kämpfen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven