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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Seite - 130 -
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130 | www.limina-graz.eu zunächst Groër trotz allem Skandal auch noch weiter stützten, wollten eine dezidiert andere, aber gerade deshalb nicht erneuerte Form von Kirche. Die einen trauten der Erneuerung zu, die Versprechungen des Glaubens erfahr- bar zu machen; die anderen trauten der Erneuerung nicht über den Weg, weil diese nur irgendwelchen modernen, aber eben keinen gläubigen Ver- sprechungen Vorschub leisten würde. Erstere hatten die Scham auf ihrer Seite, die dieser Kardinal ausgelöst hatte, die anderen konnten anführen, dass keine Schuld eingestanden worden ist. Was beide Seite verband, war die Empörung: „So geht es nicht weiter!“ Auf beiden Seiten wurde zu Recht Gesichtsverlust befürchtet. Scham resul- tiert nicht aus souveränen Aktivitäten, sondern aus regelrechten Nötigun- gen, denen man innerlich und nicht durch Druck von anderer Seite unter- worfen wird. Man muss Scham daher von Schuld absetzen, mit der sie zwar nicht selten verwechselt wird, aber mit der sie nicht vermischt werden darf. Mit seinem Schweigen konnte Kardinal Groër lediglich verhindern, Schuld einzugestehen. Darauf konzentrierte er sich, doch das half ihm nicht. Denn er konnte nicht verhindern, dass gerade sein Schweigen Scham bei anderen auslöst. Groër verweigerte sich, die Schuld anzuerkennen, die offenbar ge- worden war, aber stürzte dadurch die anderen Gläubigen in einen beschä- menden Abgrund. Sein Schweigen wurde umso schamloser, je länger es dauerte, weshalb er nicht bleiben konnte, was er war, der Wiener Erzbischof, und wo er war, im Zentrum der österreichischen Kirche. Er verlor beides nicht deshalb, weil er sich als schuldig erwiesen hatte, sondern weil seine Weigerung, sich dem wahren Problem überhaupt zu stellen, selbst für jene nicht mehr aus- zuhalten war, die ihn wie der damalige Papst eigentlich halten wollten. Er verlor nicht bloß die Unschuldsvermutung, die jedem Täter bis zum Beweis der Tat zusteht, sondern die Ehrerbietung, die jedem kirchlichen Amts- träger zusteht. Eine Schuld kann vergeben werden, der schamlose Verlust der Ehre ist dagegen nicht zu sanieren. Diese Unterscheidung von Schuld und Scham ist über diesen Fall hinaus von großer Bedeutung, weil beide in der Sachfrage des sexuellen Miss brauchs, die dem Skandal zu Grunde liegt, eine äußerst gefährliche Melange einge- hen. Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen Man muss Scham daher von Schuld absetzen, mit der sie zwar nicht selten verwechselt wird, aber mit der sie nicht vermischt werden darf.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
1:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
236
Kategorien
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