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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Seite - 133 -
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133 | www.limina-graz.eu Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen offen gestanden, es ist für mich bis heute nicht gerade einfach, zu die- sen Ereignissen zu stehen, sie an- und auszusprechen. Denn noch im- mer frage ich mich, weshalb ich dies eigentlich alles zulassen konnte? Warum habe ich mich nicht dagegen gewehrt? Steckt da nicht Feigheit und Mangel an Courage dahinter? Und eine weitere Frage drängt sich mir in diesem Zusammenhang auf. Wie weit bin ich, als ich das System unterstützte – und diese Zeit gab es sehr wohl – an anderen schuldig geworden?“ (Czernin 1998, 197–198) Scham knechtet nicht, indem sie jemanden anderen, etwa den Täter, als schuldig verurteilt, sondern weil sie eine Diskrepanz gegenüber einer Nor- malität offenbart, an der das Opfer bereits gescheitert ist, sobald der Grund für die Scham eintritt. Diese Diskrepanz ist nicht mehr zu schließen, eben weil sie offenbar geworden ist. Dabei genügt es sogar, dass sie nur der vom Missbrauch betroffenen Person offenbar geworden ist. Und sie vertieft sich mit jedem Moment einer öffentlichen Zerknirschung darüber umso mehr. Mit der Scham, die öffentlich wird, verliert ein Mensch alles an Sicher heit, was er zuvor besaß, während jemand in der Schuld, die öffentlich wird, nur so weit verunsichert wird, dass er erst durch das Bekennen der Schuld und eine ehrliche Absicht der Besserung zurück zur normalen Sicherheit gelangen kann. Wer sich genötigt sieht, sich zu schämen, kann diese Si- cherheit jedoch nicht wieder gewinnen. Es gibt keinen Ausweg – außer man ist bereit, schamlos zu werden. Kardinal Groër brachte zu Fall, dass er ausgerechnet diesen Ausweg gewählt hatte, statt zu seiner Schuld zu stehen und darüber öffentlich zu sprechen. Aber er wollte unter allen Um- ständen schuldlos bleiben – und wurde gerade deshalb zum schamlosen Unschulds lamm. In und durch Schuld sowie ihr Eingeständnis wird jemand angestiftet, sich zu bessern und zu verbessern. Das nötigt den anderen Respekt ab. Durch und mit Scham wird jemand dagegen genötigt, die eigene Inferiorität an- zuerkennen, die die Position der anderen verbessert. Das verkettet die Op- fer des sexuellen Missbrauchs so sehr mit den Tätern, dass sie den Opfern deshalb leichtfüßig und mit heiliger Unverschämtheit auch ihre eigene Scham – falls vorhanden – ganz und gar zuschieben können. Während je- mand, der öffentlich zu seiner Schuld steht, wertschätzende Aufmerksam- Mit der Scham, die öffentlich wird, verliert ein Mensch alles an Sicher heit, während jemand in der Schuld, die öffentlich wird, durch das Bekennen der Schuld zurück zur normalen Sicherheit gelangen kann.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
1:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
236
Kategorien
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