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136 | www.limina-graz.eu Fähigkeit in Gefahr geraten ist, mit dem Glauben keine Zukunft verspre-
chen zu können, die glaubwürdig und wahrhaftig hoffnungsvoll ist. Ange-
sichts dieser Gefahr bleibt aus meiner Sicht nichts anderes übrig, als das
offenbar gewordene massive Problem des Missbrauchs auf dieser kom-
plexen Ebene der Kultur des Glaubens anzugehen.
Es geht um die Versprechen des Glaubens, deren Muster die Kirche über
Jahrhunderte hinweg groß gemacht hat und an denen sie sich unverschämt
ver-sprochen hat. Sie müssen sehr entschieden von den schamlosen
Ver-sprechungen, in die die Kirche mit dem sexuellen Missbrauch durch
ihre inneren Reihen geraten ist, und deren kirchlich-theologischen Mus-
tern (patterns) gereinigt und befreit werden.
Glauben versprechen gegen schamlose identitätspolitische Muster
Der sexuelle Missbrauch war über sehr lange Zeit buchstäblich ein ver-
schämter Teil der katholischen Kirche. Das hat sich in den letzten Jahr-
zehnten leider weltweit als zutreffend gezeigt. Zu dem verschämten Teil
gehörte lange Zeit ein Schutz der Täter trotz ihrer Schuld. Sie wurden nicht
geschützt, weil man sich ihrer Taten nicht geschämt hätte, sondern gerade
weil man es tat. Es war so bedrängend peinlich, dass es verborgen bleiben
sollte und man sich nur verschwiegen davon glaubte befreien zu können.
Das war das bestimmende Muster bis zu den Skandalen des sexuellen Miss-
brauchs.
Aber quer durch die institutionellen Instanzen der Kirche hindurch findet in
diesem Muster ein Ver-sprechen statt: Diese Verbergung erzwingt die Hin-
nahme der Schamlosigkeit der Taten zu Lasten der Scham der Opfer, weil
man sich eine bessere Zukunft für die Kirche und manchmal sogar künfti-
ge Besserung der Täter verspricht. Diese Hinnahme führt unweigerlich zur
Stärkung der Macht der Täter, die sogar noch durch ein Schuldbekennt-
nis und die dann fälligen individuellen wie religionsgemeinschaftlichen
Entschuldigungen weiter aufleben kann. Der Umgang mit den Tätern und
diese selbst erscheinen dann ja geläutert und niemand muss sich dessen
mehr schämen. Das eigentliche Problem dabei ist jedoch die kalte Schul-
ter für die Ohnmacht der Opfer, die mit der kirchlichen Verschämung ihrer
Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen
Das eigentliche Problem dabei ist die kalte Schulter für die Ohnmacht der Opfer,
die mit der kirchlichen Verschämung ihrer Scham einhergeht.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven