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148 | www.limina-graz.eu wie Begriffe geprägt, welche Bedeutungen in sie eingeschrieben, welche
Mechanismen von Exklusion, Inklusion und Hierarchisierung im Diskurs
vollzogen werden. Dabei kann folgende Annahme als axiomatische Basis
gelten: Es gibt keine an sich geltende Wahrheit, es gibt nichts Festste-
hendes. Wahrheit wird diskursiv produziert, wobei hier Machtkonstella-
tionen den Diskurs präformieren.
Dies hat neben wahrheitstheoretischen Konsequenzen ebenfalls massive
subjekttheoretische Implikationen. Die Subjekte werden in dieser stets
prekären Auseinandersetzung von normierender Macht, Identitätssuche
und diskursiver Auseinandersetzung gedacht (vgl. Foucault 1991). Das
Selbst- und Weltverhältnis der Subjekte bleibt in die ausdifferenzierten
performativen Praktiken seines Vollzugs konstitutiv verwickelt (vgl. Jer-
gus/Krüger/Schenk 2014, 154–164; Schmidinger/Zichy 2005). Dies prägt
performativ die intersubjektiven Prozesse der Subjekt- und Identitätskon-
stitutionen.
„Dass die Macht Bestand hat, dass man sie annimmt, wird ganz einfach
dadurch bewirkt, dass sie nicht bloß wie eine Macht lastet, die nein sagt,
sondern dass sie in Wirklichkeit die Dinge durchläuft und hervorbringt,
Lust verursacht, Wissen formt und einen Diskurs produziert“ (Foucault
2003, 197).
Macht ist demnach nicht einfach etwas heteronom Verhängtes. Macht
kann „nur über ‚freie Subjekte‘ ausgeübt werden, insofern sie ‚frei‘ sind“
(Foucault 2005, 287; vgl. Forst 2015, 74–76). Sie wirkt, indem sie innerlich
bejaht wird – und formt damit die Subjekte.
„Diese Form der Macht gilt dem unmittelbaren Alltagsleben; sie teilt die
Individuen in Kategorien ein, weist ihnen ihre Individualität zu, bindet
sie an ihre Identität und erlegt ihnen das Gesetz einer Wahrheit auf, die
sie in sich selbst und die anderen in ihnen anzuerkennen haben. Diese
Machtform verwandelt die Individuen in Subjekte“ (Foucault 2005,
275; Forst 2015, 75).
Demnach wird das Subjekt in den machtgeleiteten Prozessen gesell-
schaftlicher Diskurse und performativen Praktiken der „Subjektivation“ je
neu konstituiert (Budde 2013, 13).
Bernhard Grümme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven