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151 | www.limina-graz.eu bei Kindern aus Asien eher gegenläufig. Daneben besitzt die Ein-
bindung in peer groups, aber ebenso die Geschlechtszugehörigkeit
erheblichen Einfluss (vgl. Brake/Büchner 2012, 50–52).
Diese Gemengelage deutet auf die Interdependenz und sich teilweise ver-
stärkende Wirkung der unterschiedlichen Dimensionen von Kultur, Reli-
gion, sozialer Lage, Geschlecht und zeigt dadurch die Triftigkeit des Hete-
rogenitätsbegriffs für Interreligiöses Lernen. Diese Interdependenz nicht
zu berücksichtigen, ließe Interreligiöse Bildung in die Falle des Kultura-
lismus tappen, der Interreligiöse Bildung auf das Feld der Kultur und der
Unterschiede fixiert, damit jedoch an den Mechanismen ihrer immanenten
Festschreibungen vorbei sieht. Diese werden bereits in der konkreten Un-
terrichtsgestaltung mancher Lehrkräfte und deren Erwartungen und ha-
bituellen Einstellungen erkennbar. Unzweifelhaft tragen sie durch ihre –
durchaus wohlmeinenden – Haltungen, Erwartungen und Suppositionen
zur Benachteiligung und Bildungsungerechtigkeit bei (vgl. Mecheril/Vor-
rink 2017, 43–60).
Dies zeigt sich exemplarisch auf zwei Feldern: Wenn Lehrer etwa, so das
Muster des schulpädagogisch gut erforschten Pygmalioneffekts,
„einen Schüler für sehr begabt halten, widmen sie ihm besondere
Aufmerksamkeit, um sein Potential zu fördern. Wenn der Schüler dann
besondere Leistungen bringt, hat der Lehrer das Gefühl, dass seine ur-
sprüngliche Einschätzung richtig war, und er unterstützt den Schüler
weiter. Wenn Lehrer hingegen vermuten, dass Schüler aus armen Fami-
lien generell weniger leistungsbereit und leistungsstark sind, könnte
der Pygmalion-Effekt sich deutlich negativ auf die Schüler auswirken“
(Evangelische Kirche Deutschland 2006, 65).
Insofern Schüler/innen mit Migrationshintergrund aus sozial schwachen
Familien trotz guter Noten die Empfehlung für ein Gymnasium deshalb
verweigert wird, weil man ihnen den häuslichen support nicht zutraut,
dann ist dies ein Moment von „institutioneller Diskriminierung“ (Brake/
Büchner 2012, 113). Diese beruht nicht primär auf den Intentionen der
Lehr kräfte, sondern liegt in den Strukturen der Bildungsinstitutionen ver-
ankert. Aber genau deshalb kann sich der Religionsunterricht und somit
ebenfalls das Interreligiöse Lernen nicht je schon davon frei sprechen –
Bernhard Grümme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Interreligiöse Bildung tappt schnell in die Falle des Kulturalismus.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven