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158 | www.limina-graz.eu ja auch Möglichkeiten für die Konstituierung einer Gegen-Macht und für
Kritik an den diskursiven Praktiken selber (Forst 2015, 74–75). Insofern
kommt Rainer Forst zu einer Interdependenz von Normativität und Macht,
die auch die Freiheit der Subjekte wahrt. Ohne diese sind weder Autonomie
noch Emanzipationsprozesse ĂĽberhaupt nur zu denken.
Anders als bei Foucault wird dem Subjekt damit ein erheblicher Rang
eingeräumt. Demnach gibt es entgegen der holistischen Anmutungen bei
Foucault kein lĂĽckenlos wirksames System wie auch das Subjekt nie voll-
ständig unfrei ist. Es kann sein, dass das Subjekt sich auch selber hineinver-
wickeln lässt in die Anmutungen, die ihm das System zuspielt, wodurch es
wiederum das System stärkt. Zudem würde das Konzept einer Aufgeklärten
Heterogenität selbstwidersprüchlich, wenn es kein Subjekt mehr gäbe, das
in Prozesse der Reflexion und Aufklärung eintreten könnte. Von daher hält
es an einem Begriff des Subjekts in ganz grundsätzlicher Weise fest, das
allerdings alteritätstheoretisch gebrochen gedacht wird. Das Subjekt ist nie
mit sich identisch, sondern dem Einbruch des Anderen auch in seiner Frei-
heit ausgesetzt, die ihrerseits stets in intersubjektiven Konstitutionspro-
zessen steht (Grümme 2017, 105–160).
Diese gegenseitige Durchdringung von hegemonialen, machtbezogenen
Bedingungen einerseits und einer insbesondere vom Wahrheitsanspruch
der christlichen Ăśberlieferung her normativ bestimmten Formatierung
andererseits ist es nun, die für eine religionspädagogische Profilierung des
Heterogenitätsbegriffs höchst relevant ist. Perspektiven von Gerechtigkeit
und Anerkennung, von Differenz und Gleichheit, von Macht und Verschie-
denheit, von Ungleichheit und Unterschiedlichkeit werden aufeinander in
gesellschaftskritischer und machtsensibler Dynamik auf dem komplexen
Feld religionspädagogischer Theorie-Praxiszusammenhänge kritisch kor-
relierbar und reformulierbar (Grümme 2015, 15–50). Damit werden die
Ziele einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik auf spezifische Weise
angeschärft. Heterogenitätsfähig ist eine Religionspädagogik dann, wenn
sie die religiöse Wahrnehmungs-, religiöse Sprach-, Urteils- und Hand-
lungsfähigkeit der Subjekte normativ anvisiert. Dies hat sie mit dem Para-
digma der Pluralitätsfähigkeit gemeinsam. Was aber stärker ins Gewicht
fällt und sie kategorial von dieser unterscheidet ist – erstens – genau diese
wechselseitige Bezogenheit von Identitäts- und Gleichheitsfragen, von
Anerkennungs- und Gerechtigkeitsfragen und – zweitens – die kritische
Selbstreflexivität der eigenen Praxis und Theorie in ihrem jeweiligen Kon-
text. Denn sie nimmt die eigenen Konstruktionsmechanismen in den hege-
Bernhard GrĂĽmme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven