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184 | www.limina-graz.eu ist z. B. in den NT.VMR übernommen worden, weil NA28 die Konjekturen im
kritischen Apparat nicht mehr verzeichnete. Die Plattform bietet ein Kom-
mentarforum zum NA28 an, bindet also die weitere Öffentlichkeit in die Edi-
tionsarbeit mit ein. Die kollaborative Komponente macht aus dem NT.VMR
eine soziale Edition im Sinne von Siemens et al. (2012). Es sind aber noch
keine Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Editio Critica Maior oder
die kritische Studienausgabe erkennbar.
Eine so umfassende gemeinsame virtuelle Heimat hat die hebräische Bi-
bel noch nicht erhalten. Emanuel Tov hat 2003 eine erste Übersicht über
elektronische Ressourcen zur Textkritik des Tenach erstellt. Die von ihm
zusammengestellten Versionen bezogen sich alle auf den Leningrader Co-
dex und die Biblia Hebraica Stuttgartensis (BHS). Das hat sich bis heute
nicht grundlegend geändert. Die elektronischen Ressourcen machen also
keinen Gebrauch von der Möglichkeit der digitalen Edition, einen textkri-
tischen Zugang über die vollständige Veröffentlichung der handschrift-
lichen Zeugnisse zu wählen. Dennoch haben die digitalen Methoden For-
schungen in der Textkritik des Tenach inspiriert. Gary D. Martin bezieht
sich z.
B. in seiner monographischen Analyse der Textvarianz (2010) auf das
Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Es begründet eine Mehr-
deutigkeit der Texte, die sich unter anderem in den textuellen Varianten
niederschlägt. Im Ergebnis bevorzugt er Editionsformen, welche die Mul-
tivalenz der Texte in ihrer historischen Form akzeptieren und darzustellen
versuchen. Digitale Editionsformen scheinen ihm die Methode der Wahl,
und er hebt deshalb die Pläne der Oxford Hebrew Bibel, den Druck um eine
reich verlinkte elektronische Edition zu erweitern (Hendel 2008, 349), als
zukunftsweisend hervor. Aber noch 2013 beschreibt Emanuel Tov die Pa-
ralleldarstellung der Textfassungen als nicht realisierten Plan.
Auch die existierenden nicht-digitalen kritischen Editionen des Tenach
beruhen zumeist auf dem umfangreichsten Zeugnis der masoretischen
Arbeit, dem Codex Leningradensis (Tov 2013). Von diesem gibt es digi-
talisierte Versionen auf Basis des 1998 erstellten Facsimiles (Freedman et
al. 1998) und Farbbilder in den kommerziellen Bibelprogrammen von Ac-
cordance (OakTree Software 2017) und BibleWorks (SWORD Project 2017).
Viele andere Textzeugen des Tenach sind heute im Zuge von systemati-
schen Digitalisierungsarbeiten der Bibliotheken online zugänglich, wie
z. B. die British Library in einer Pressemitteilung 2014 stolz ankündigte
(Sims-Williams 2014). Die israelische Nationalbibliothek hat mit Ktiv (Na-
tional Library of Israel 2017–2018) erst 2017 einen Katalog digitalisierter
Hebräischer Handschriften in den Bibliotheken der Welt online gebracht,
Georg Vogeler | Religion aus Daten?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven