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Erst abschließend haben Menschen den Text an der Fassung des Korans,
die der König-Fahd-Complex als Referenz erstellt, geprüft. Auch in diesem
Fall konzentriert sich die textkritische Methode darauf, sicherzustellen,
dass der Text der Uthmanischen Fassung entspricht. Überlieferungskri-
tische Beobachtungen werden keine gemacht. So beobachtet Andrew Rip-
pin auch noch 2013 (Rippin 2013, 124), dass die digitalen Formen des Koran
keine weitere editorische Dokumentation, keine neuen Kommentare oder
Werkzeuge zu kollobarativer Forschung anbieten – all das, was die Arbei-
ten an digitalen Editionen von christlichen und jüdischen Bibeltexten als
Fortentwicklung der wissenschaftlichen Editionsmethoden entwickelt ha-
ben.
Ganz anders ist der Zugang des Corpus Coranicum, das seit 2007 an der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leitung
von Angelika Neuwirth und Michael Marx erarbeitet wird. Es be schreibt
sich selbst nicht als digitale Edition, sondern versteht sich als umfassende
Dokumentation (Marx 2015, 255). Michael Marx lässt es 2015 noch aus-
drücklich offen, ob daraus eine kritische Edition entstünde (Marx 2015,
261). Das Corpus gründet auf der Vision von Gotthelf Bergsträßer und Otto
Pretzl, den Kairiner Koran um einen kritischen Apparat zu erweitern, der
die Text überlieferung nachweist (Bergsträßer 1930; Bergsträßer/Pretzl
1938). Bergsträßer und sein Team sammelten Bilder der ältesten Textzeu-
gen des Korans aus den ersten Jahrhunderten des Islam, die den Grund-
stock der Arbeit des Corpus Coranicum bilden. Das digitale Corpus stellt
primär die in den Handschriften und in der Literatur dokumentierten
Text varianten zusammen. Daneben gibt es auch ein Faksimile des Kairiner
Korans mit Transkription, Transliteration und deutscher Übersetzung. Die
Dokumentation des Corpus geht aber weiter: Das Berliner Team arbeitet
an einem ausführlichen textkritischen, texthistorischen und literarischen
Kommentar, der auch eine Beschreibung der Situativität und Hörererwar-
tung der jeweiligen Textstelle einschließt. Das Corpus sammelt schließlich
auch zeitgenössische „Umwelttexte“, die zu jedem Vers Parallelstellen aus
persischen, zoroastrischen, christlichen, und assyrisch-aramäischen Tex-
ten angibt. Textkritische Arbeit hat sich hier also weiträumig ausgedehnt.
Technisch beruht das Projekt auf einer Sammlung von Lösungen (SQL-
Datenbank der Lesarten, Beschreibungen der Handschriften und Kom-
mentare in XML/TEI), die das Kategoriensystem der analytischen Arbeit
und das Beziehungsgeflecht zwischen den Teilen abzubilden versuchen.
Auch wenn das Projekt den Titel „Edition“ verweigert, hat es doch umfang-
Georg Vogeler | Religion aus Daten?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven