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204 | www.limina-graz.eu die systematische Erhebung von Daten auf der Grundlage von Beobachtung
bzw. wiederholten definierten Prozessen. Aus den so gewonnenen Daten-
mengen lassen sich Regeln ableiten, die zuletzt Voraussagen ermöglichen
sollen. Dass damit ein sehr idealisiertes Weltbild verbunden ist, steht außer
Zweifel; dennoch hat sich dieser Ansatz bisher als der historisch nützlichste
erwiesen, wenn es um die Weiterentwicklung der „empirischen Wissen-
schaften“ zu tun ist.
Der wesentliche Boom der Daten begann im 17. Jahrhundert. Die englischen
Empiriker legten den Grundstein zu einer neuen Dimension des Datensam-
melns und -aufzeichnens;5 die Auswertung der erarbeiteten Kollektionen
wurde immer komplexer und erforderte entsprechend neue Algorithmen.
Ähnliches gilt für die Problemstellungen. Die Entwicklung von Wahr-
scheinlichkeitsrechnung, Infinitesimalkalkül oder Matrizen und vieles
mehr ist die Folge der grundlegenden Frage, wie mit bestimmten Daten
im Hinblick auf bestimmte Fragen umzugehen ist (und welches Potential
diese Datenverarbeitung weiter erschließen kann).
Seit dem frühen 19. Jahrhundert verfügt die Menschheit über einigermaßen
verlässliche Datenaufzeichnungsgeräte. Die anfallenden Datenmen-
gen werden dadurch immer größer; die Anwesenheit eines menschlichen
Beobachters ist ja nicht mehr erforderlich. Vielmehr definiert dieser einen
Regelsatz, durch welchen die Gültigkeitsparameter der „Beobachtung“
und die Art und Weise der Aufzeichnung festgelegt werden, und kann dann
– je nach Interesse und Potential – Dutzende verschiedene Aufzeich-
nungsgeräte laufen lassen. Besonders deutlich wird das am Beispiel der
Meteorologie: Eine Person kann hunderte verschiedene Einrichtungen zur
Messung des Luftdruckes an verschiedenen Stellen laufen lassen, deren
Ergebnisse zusammentragen und mit Wetterereignissen korrelieren. Aus
diesen Korrelationen wird dann eine Vorhersage abzuleiten versucht.
Bis in dieses Stadium liegen die Daten grundsätzlich in einer für Menschen
lesbaren Form vor – analog, z. B. in Form einer Luftdruck- oder Tempera-
turkurve auf einer Papiertrommel, oder einer Tabelle, aus der sich Perihel
und Aphel nach Distanz und Zeitpunkt ablesen lassen. Doch dann – Mitte
des 20. Jahrhunderts – kommen zunehmend Maschinen ins Spiel, die not-
wendig werden, um die anfallenden großen Datenmengen auszuwerten.
Ich beziehe mich dabei in keiner Weise auf frühe Rechenmaschinen – deren
Christian Wessely | Die Macht der Daten
Die englischen Empiriker legten im 17. Jahrhundert den Grundstein
zu einer neuen Dimension des Datensammelns und -aufzeichnens.
5 Hier ist vor allem Francis Bacon
zu nennen, dessen Ansatz vom
kumulativen Wissen und der Not-
wendigkeit der Wiederholbarkeit
(wissenschaftlicher) Beobachtun-
gen wohl den stärksten Impuls zur
Datenerfassung, -sammlung und
-auswertung gab. Vgl. ders., Novum
Organon I, 19.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven