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217 | www.limina-graz.eu mit einem erhöhten Risiko für bipolare Störungen und Schizophrenie ein-
her (Sample 2015).
Es gibt sehr wohl einige Krankheiten, wo nach heutigem Wissensstand
eine einfache Gen-Korrektur in der Keimbahn denkbar wäre. Insgesamt
begrenzen aber die erwähnten Probleme die Einsatzmöglichkeiten der
Genom-Editierung beim Menschen derzeit noch rigoros. Vor allem ist ein
genetisches Enhancement, wenn man dabei an komplexere Eigenschaften
wie höhere Intelligenz, größere Musikalität oder ästhetische Perfektion
denkt, schwieriger als in der Öffentlichkeit bewusst, denn vor allem hier
machen sich die genannten Schwierigkeiten einer pluralen genetischen
Verursachung und des komplexen Zusammenspiels von genetischen und
einer Vielzahl an Kontextfaktoren bemerkbar. Jenseits weiterer ethischer
Probleme erscheinen somit die Risiken unerwünschter Effekte aktuell als
völlig unakzeptabel. John Parrington deutet am Ende seines Buches Re-
designing Life. How Genome Editing will Transform the World an, es könnte
durchaus sein, dass der wichtigste Beitrag der neuen Technik für die Zu-
kunft in neuen Möglichkeiten besteht, auf den Klimawandel zu reagieren,
indem wir Pflanzen gezielt an die veränderten Klimabedingungen adaptie-
ren, oder in neuen Möglichkeiten, auf Antibiotika-Resistenzen zu reagie-
ren (Parrington 2016).
Zu Recht kristallisiert sich in der laufenden Diskussion heraus, dass es kein
kategorisches Verbot rein therapeutischer Keimbahneingriffe geben sollte,
was auch für Vertreter der katholischen und der evangelischen Ethik gilt.
Hier wird primär auf menschliches Leid reagiert, und es entfällt das Pro-
blem einer „anmaßenden“ Neuschöpfung des Menschen. Therapeutische
Keimbahneingriffe sollten also zulässig sein, wenn die Risiken kontrollier-
bar sind und es um eine Korrektur eines eindeutigen Defekts geht.4 Selbst
die vatikanische Instructio Dignitas Personae aus dem Jahr 2008 schließt
Eingriffe am Genom von Keimzellen und befruchteten Eizellen nicht kate-
gorisch aus, sondern nur im Hinblick auf die derzeitigen zu hohen Risi-
ken (Kongregation für die Glaubenslehre 2008, Nr. 26). Aus christlich-
katholischer Sicht könnte die gentechnische Korrektur von Gendefekten im
Übrigen eine wichtige Alternative zur gegenwärtigen Praxis der Embryo-
nenselektion eröffnen, die mit dem Gedanken eines Lebensschutzes von
Beginn an nicht vereinbar ist. Allerdings eröffnet sich eine schiefe Ebene
hin zur Korrektur leichter Anomalitäten und zu verbessernden Eingriffen.
Beide Grenzen sind fließend, was nicht bedeutet, dass sie nicht kontrolliert
werden könnten.
Walter Schaupp | Genom-Editierung als Schlüsseltechnik der Zukunft
4 Zur aktuellen Diskussion um
Genom-Editierung vgl. die Beiträge
der Jahrestagung des Deutschen
Ethikrats: Burmeister/Ranisch 2017;
Deutscher Ethikrat 2016; Konsen-
sus-Statements: Nuffield Council
on Bioethics 2016; Nationale Aka-
demie der Wissenschaften Leopol-
dina 2017; The National Academies
of Science, Engineering, Medicine.
Committee on Human Gene Edit-
ing 2017; Einzelbeiträge: Rütsche
2017; Kipke/Rothhaar/Hähnel 2017;
Schöne-Seifert 2017; Vertreter theo-
logischer Ethik z. B. Huber 2016;
Schockenhoff 2016; Brantl 2017;
Ernst 2017.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 1:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 236
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven