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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
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221 | www.limina-graz.eu und Normvorgaben oder das Setzen von Anreizen (nudging). Subjektivie- rungsprozesse beschreiben schließlich die Auswirkungen der jeweiligen Regimes auf das Individuum bzw. in ihm selbst. Über sie konstituiert sich das Individuum in seinem Selbstverständnis und wird so zu einem Effekt der Biomacht. Es beginnt, aus eigenem Antrieb ständig anspruchsvollere Normalitätsvorstellungen zu erfüllen und an seiner Selbststeigerung zu arbeiten. Aus dem Konzept einer so verstandenen Biomacht ergeben sich nun gravie- rende Konsequenzen. Erstens wird der biomedizinische Fortschritt als Be- mühen um immer bessere Therapiemöglichkeiten und effizientere Formen von Prävention in seinen ethischen Motiven demaskiert. Es geht ihm nicht primär um echte Fürsorge um den Menschen und die Verminderung seines Leidens, sondern er erscheint als Effekt eines umfassenden Machtgefüges, das in anonymer Weise Leben „steigern“ will. Zweitens erscheint der ge- genwärtige bioethische Diskurs als defizitär, weil er nach wie vor Fürsorge, Leidminderung und Ermöglichung von Autonomie ins Zentrum rückt, den im Hintergrund wirksamen Zugriff der Biomacht jedoch ausblendet. Er vermag deshalb nichts zu einer wahren Selbstaufklärung des biotech- nologischen Fortschritts beizutragen, sondern stabilisiert diesen eher, indem er ihm über den Anschein einer kritischen Auseinandersetzung zu öffentlicher Akzeptanz verhilft (Gehring 2006, 111–127; Lemke 2008, 85–86). Drittens ist das einzelne Individuum in der Inanspruchnahme der modernen Biotechnologien, trotz aller institutionellen Absicherun- gen seiner Autonomie, nicht wirklich frei, weil es aufgrund verinnerlichter Selbstoptimie rungsvorstellungen und äußerer Anstöße in eine den Zielen der Biomacht entsprechende Richtung gedrängt wird. Spielräume der Freiheit und ethische Verantwortung Wie ist mit diesen doch radikalen kritischen Einsprüchen umzugehen? Was folgt aus ihnen für die oben skizzierten bioethischen Auseinandersetzun- gen um CRISPR/CAS9, die um Nutzen, Risiken und legitime Zielsetzungen der Techniken kreisen? Wie weit können sie auf der individuellen Ebene die Qualität und die Sinnhaftigkeit individueller gesundheitsbezogener Op- tionen und Entscheidungen in Frage stellen? Viele der im Zusammenhang mit Biomacht und Gouvernementalität in Anschlag gebrachten Einzelbeobachtungen treffen ohne Zweifel zu. Zum Beispiel lassen sich im Hinblick auf den Umgang mit Pränataldiagnostik, Walter Schaupp | Genom-Editierung als Schlüsseltechnik der Zukunft
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
1:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
236
Kategorien
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