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26 | www.limina-graz.eu Nazi atrocities, but to atrocities in Bosnia, Cambodia, Rwanda, Darfur and
in other contexts.“ (Morsink 2010, 36)
Zweifel ergeben sich zudem, ob eine Idee und ein Konzept mit universellem
Geltungsanspruch auf singuläre historische Ereignisse zurückzuführen
sind. Singuläre historische Ereignisse können keine universelle, sondern
nur eine partikulare Strahlkraft auslösen.
An dieser Stelle erweist sich eine Differenzierung von besonderer Bedeu-
tung: die historische Kontingenz der Entstehung der Menschenrechte, die
politische Diskurse geprägt haben, zeigt auf, wie die Menschenrechte ent-
standen sind (Genese). Die BegrĂĽndung der Menschenrechte, warum Men-
schen Trägerinnen und Träger überhaupt von und von genau diesen Men-
schenrechten sind (Geltung), muss in einer anderen Dimension vollzogen
werden, um der Universalität der Menschenrechte, ihrem Gegenwartsbe-
zug und ihrer Nachhaltigkeit gerecht werden zu können (Salmon 1983, 25–
32), was bei einer rechtlichen, politischen oder historischen BegrĂĽndung
der Menschenrechte nur bedingt bzw. eingeschränkt der Fall wäre.
So erhalten die Menschenrechte aus ihrer historischen Verortung als Kon-
trapunkt der Menschheit zu massiver Unrechtserfahrung und Verletzungs-
realität ihr positives Gewicht und Konkretisierungen für ihr Verständnis.
Der politische Prozess kann durch die spezifische Betrachtung von Pro-
zessabläufen und Zusammenhängen aus einer historischen Perspektive
besser nachskizziert werden,4 und dabei können auch Verständniselemen-
te der Menschenrechte freigelegt werden.
Menschenrechtlicher Schutz fĂĽr Demokratie
Die Möglichkeit, sich in einem demokratischen System politisch zu ver-
stehen und politisch aktiv zu werden, wird durch die Menschenrechte
geschĂĽtzt, da die Teilnahme an politischen Meinungsbildungs- und Ent-
scheidungsfindungsprozessen als wesentliches Element der menschlichen
Existenz anerkannt ist. Mehrere Menschenrechte, die den Menschen in
seinem politischen Engagement schĂĽtzen, bilden die Kategorie der politi-
schen Teilnahmerechte, die neben der Kategorie der negativen Freiheits-
rechte und individuellen Schutzrechte sowie der Kategorie der sozialen
Teilhaberechte den Katalog der Menschenrechte bilden.5
Peter G. Kirchschläger | menschenrechte, demokratie und religionen
So erhalten die Menschenrechte aus ihrer historischen Verortung
als Kontrapunkt zu massiver Unrechtserfahrung ihr positives Gewicht.
4 Vgl. z. B. die Untersuchung von
W. Gut zur Entstehung der Allge-
meinen Erklärung von 1948 (vgl. Gut
2008, 816–819) oder die Analyse der
Ideengeschichte der Menschenrech-
te von N. Bobbio mit der Untertei-
lung in drei Phasen als ihr Ergebnis:
Auf die erste Phase der philosophi-
schen EntwĂĽrfe und der Konzeption
der Idee der Menschenrechte folgte
die zweite Phase der Verwirklichung
der Idee der Menschenrechte auf
nationaler Ebene mit ihrem Beginn
u. a. in der „Declaration des droits
de l’homme et du citoyen de 1789“,
welche zur dritten Phase der Durch-
setzung der Menschenrechte auf
globaler Ebene mit ihrem Anfang
in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte von 1948 fĂĽhrte
(Bobbio 1998).
5 Die Einteilung der Menschen-
rechte in drei Kategorien bildet eine
Alternative zur Einteilung der Men-
schenrechte in drei Generationen
(vgl. eine Kritik zu Letzterer: Loh-
mann 2004, 92–108).
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven