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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
Seite - 72 -
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72 | www.limina-graz.eu Beziehungssystem zu leben, in dem man aufgrund von Handlungen und Meinungen beurteilt wird“ (Arendt 2005, 614). Der einzelne Mensch ist als Rechtssubjekt zu achten – unabhängig von nationaler Zugehörigkeit. Arendt hat nach Gründen dafür gesucht, dass trotz der Umsetzung der Menschenrechte seit mehr als hundert Jahren im 20. Jahrhundert eine solch eklatante Rechtslücke aufklaffen konnte. Ihre Diagnose hat gerade angesichts erstarkender nationaler Kräfte nicht an Brisanz und Relevanz verloren. Im Gegenteil kommt es einem so vor, als spreche sie in unsere Zeit hinein. Ihr Blick auf die Menschenrechte verstört freilich, sieht es doch so aus, als wären diese die Komplizen nationalistischer Interessen gewe- sen. Anders als Arendt glaube ich, dass es bei den Menschenrechten immer schon um die Achtung des einzelnen Menschen als Rechtssubjekt ging. In der Französischen Revolution mussten die Rechte der Menschen gegen den absolutistischen Herrscher etabliert werden. Dieses neue Rechtsbewusst- sein fand in der Tat Ausdruck im Gedanken nationaler Souveränität. In ähnlicher Weise sollten genau zweihundert Jahre später die Menschen in der DDR für die Befreiung von der SED-Diktatur auf die Straße gehen: Bür- gerrechte wurden unter dem Motto „Wir sind das Volk!“ eingefordert. Dass die Menschenrechte historisch immer wieder im Rahmen einer Volkserhe- bung eingeklagt wurden, heißt nicht, dass sie im Dienst nationaler Interes- sen stehen. Denn in der Tat kann sich der Gedanke nationaler Souveränität gegen den Einzelnen richten, dann nämlich, wenn das Recht mit dem iden- tifiziert wird, „was gut oder nützlich für das Ganze“ (Arendt 2005, 618) ist. Dann aber werden die Menschenrechte verabschiedet. Noch etwas anderes verstört, nämlich Arendts Bemerkungen über die fa- tale Wirkungslosigkeit menschenrechtlicher Bemühungen zur Zeit des Dritten Reichs. Wenn sie nicht ohnehin bloß ein Feigenblatt politischer Entscheidungen waren, dann waren sie nach Arendt allenfalls der Aus- druck eines wohlmeinenden, aber bedeutungslosen Idealismus, der noch dazu in einen Paternalismus zu kippen drohte (vgl. Arendt 2005, 564, 578, 603). Die Heuchelei politischer Entscheidungsträger und die Machtlosig- keit menschenrechtlicher Organisationen diskreditieren freilich nicht die Menschenrechts idee als solche. Arendts Anfrage jedoch bleibt: Es ist zu klären, wann die Berufung auf die Menschenrechte nicht nur Heuchelei, und wann sie nicht nur wirkungsloser Appell ist. Ohne Frage bedarf es ge- margit Wasmaier-sailer | recht tun – recht verlangen Dass die Menschenrechte historisch immer wieder im Rahmen einer Volkserhebung eingeklagt wurden, heißt nicht, dass sie im Dienst nationaler Interessen stehen.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
194
Kategorien
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