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74 | www.limina-graz.eu Die Haltung der deutschen Regierung zu Fluchtursachen
„Die Bundesregierung und die Europäische Union verorten die Ursachen
der Flucht in den Herkunftsländern. Dabei sind die chronischen und aku-
ten Notlagen, die Menschen zur Flucht zwingen, selten allein in loka-
len Umständen begründet. Kriege werden zerstörerischer und brutaler,
wenn sie zu Stellvertreterkriegen werden, in denen die EU und andere
mächtige Akteure ihre eigenen Interessen verfolgen. Die von europäi-
scher Politik mitverursachten Rahmenbedingungen zwingen Menschen
zum Gehen und konterkarieren damit selbst die besten Entwicklungs-
konzepte. Die Bekämpfung von Fluchtursachen muss daher im globalen
Norden, also auch in Europa, ansetzen. Die von der europäischen Politik
mitverantworteten GrĂĽnde, die Menschen weltweit in die Flucht trei-
ben, reichen zurĂĽck in den Kolonialismus und manifestieren sich in der
Gegenwart in postkolonialen Strukturen. Nicht zuletzt ist es die klima-
schädliche und auf Ressourcenausbeutung basierende Lebens-, Kon-
sum- und Produktionsweise des globalen Nordens, die Lebensgrundla-
gen im globalen Süden zerstört.“ (PRO ASYL/Brot für die Welt/medico
international 2017, 8–9)
Die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel hält das Ideal der Hu-
manität hoch und ebenso den Gedanken eines vereinten Europa. Flücht-
linge wurden 2015 mit offenen Armen aufgenommen. Die Anliegen Eu-
ropas werden von ihr – auch unter Hintanstellung nationaler Interes-
sen – nachhaltig verfolgt. Gleichzeitig ist die Bundesregierung in Kriege
und Krisen verwickelt, die unmittelbar dazu gefĂĽhrt haben, dass Millionen
Menschen aus ihren Ländern fliehen mussten. Es ist eine traurige Wahr-
heit, dass Deutschland einer der größten Rüstungsexporteure weltweit ist,
und dass deutsche Waffen trotz der hoch eskalierten Situation weiterhin in
den Nahen und Mittleren Osten geliefert werden (vgl. PRO ASYL/Brot fĂĽr
die Welt/medico international 2017, 9). Erst nach der Tötung des Journa-
listen Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in
Istanbul kam es zu einer Zäsur: Die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien
werden – gegen den Widerstand Frankreichs – bis auf Weiteres ausgesetzt.
Ob diese Zäsur auch zur überfälligen Diskussion um die grundsätzliche Le-
gitimation deutscher RĂĽstungsexporte in Krisengebiete fĂĽhrt, wird man
sehen mĂĽssen. Dass es einen tiefliegenden Widerspruch gibt zwischen den
margit Wasmaier-sailer | recht tun – recht verlangen
Es ist eine traurige Wahrheit, dass Deutschland
einer der größten Rüstungsexporteure weltweit ist.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven