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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
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77 | www.limina-graz.eu Und da war es wieder: Fast alle Gespräche endeten mit den persönlichen Erlebnissen der Menschen während der Nachwendezeit. Obwohl seitdem fast 30 Jahre vergangen sind, offenbarten sich unbewältigte Demüti- gungen, Kränkungen und Ungerechtigkeiten, die die Menschen bis heute noch bewegen, unabhängig, ob sie sich nach 1990 erfolgreich durchge- kämpft haben oder nicht. Es ging in fast allen Gesprächen um Lebens- brüche. Vor allem berufliche, aber auch private. An einem Tag raunte mir dann ein aufgebrachter Demonstrant zu: ‚Sie immer mit Ihren Flüchtlingen! Integriert doch erst mal uns!‘ Diese Aus- sage brachte es auf den Punkt: Hier geht es anscheinend bei vielen gar nicht um das Thema Flüchtlinge. Diese waren nur die Projektionsfläche für eine tiefer liegende Wut und Kritik.“ (Köpping 2018, 9) Anlässlich der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland wurde vielen Menschen in Ostdeutschland offensichtlich bewusst, dass sie sich in dem geeinten Deutschland selbst noch nicht wirklich aufgenommen fühlten. Die Integration Dritter wird für einen von zwei Partnern dann zum Schmerz, wenn er sich selbst von seinem Partner nicht anerkannt fühlt. Dass es im Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschen in der Tat ein Anerken- nungsdefizit gibt, dass Ostdeutsche sich als „Bürger zweiter Klasse“ (Köp- ping 2018, 68) fühlen, macht Köpping an zahlreichen Beispielen deutlich. So sei die wirtschaftliche Umgestaltung Ostdeutschlands durch die Treu- handanstalt für viele Menschen zu einer traumatischen Erfahrung gewor- den. Viele hätten über Nacht ihren Arbeitsplatz verloren – nicht etwa nur, wenn das Unternehmen tatsächlich marode war, sondern auch, wenn es ihrer Meinung nach eigentlich Potential für die Zukunft gehabt hätte. Köp- ping berichtet unter anderem von einer Keramikfabrik im ostsächsischen Großdubrau: Diese Fabrik habe zu DDR-Zeiten unter Einsatz moderner Technik aus der Schweiz Hochspannungsisolatoren hergestellt. Diese sei- en zu 80 Prozent in die ganze Welt und damit auch in den kapitalistischen Westen exportiert worden. Über Nacht habe man alle Geräte und Unterla- gen weggeschafft, das Unternehmen also aufgegeben. Laut Köpping ha- ben die Betroffenen die Ereignisse von damals als Betrug an ihrer Region und ihrem Leben erlebt. Sie ist der Überzeugung, dass viele westdeutsche Unternehmen die neu aufgekommene Konkurrenz aus dem Osten fürch- teten und den Markt zu ihren Gunsten bereinigten. Diejenigen, die dabei margit Wasmaier-sailer | recht tun – recht verlangen Hat der Westen nach der Wende seine wirtschaftlichen Interessen eifersüchtig gegen den Osten durchgesetzt?
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
194
Kategorien
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