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axel Bernd Kunze | staat – Identität – recht
sammengehörigkeit voraussetzt und nach einer beständigen Integra-
tion seiner Bürger in die staatlich verfasste Gemeinschaft verlangt, ohne
dabei die Anforderungen einer freiheitlichen Gesellschaft zu übergehen“
(Seiler 2015, Rn. 2).
Antrag auf Einbürgerung und Annahme derselben stehen und fallen im
rechtlichen Sinne miteinander; daraus folgt eine Anpassungsverpflichtung
des Einwanderers. Einbürgerung sollte überhaupt erst dann möglich sein,
wenn jemand Loyalität zum Aufnahmeland bewiesen hat und für seinen
Lebensunterhalt selbst aufkommen kann. Ferner sollte der Rechtsstaat
durch robustes Auftreten verhindern, dass fremde kulturelle Konflikte ins
Land geholt werden. So ist es zum Beispiel legitim, dass ein Staat Wahl-
kampfauftritte ausländischer Politiker oder die Verwendung fremder Ho-
heits- und Nationalsymbole in seinem Bereich beschränkt.
Staatsterritorium
Es gibt unabweisbare humanitäre Schutzansprüche, die über den natio-
nalstaatlichen Rahmen hinausweisen. Diese zu gewährleisten, setzt aber
gerade einen handlungsfähigen Staat voraus, der sich an Recht und Ver-
fassung gebunden weiß. Die Handlungsfähigkeit eines Staates setzt vor-
aus, dass dieser die Kontrolle über sein Territorium behält. Umgekehrt sind
illegale Einwanderung, Schleuserkriminalität, das Vernichten von Pässen
oder Versuche, sich rechtsstaatlichen Verfahren zu entziehen, alles andere
als Bagatellen und müssen konsequent verfolgt werden.
Mit dem Schengener Übereinkommen von 1985 und seinen Folgevereinba-
rungen wurde der Grenzschutz in Europa zunehmend an die Außengrenzen
verlagert, allein deren Schutz ermöglichte eine weitreichende Freizügigkeit
innerhalb der Europäischen Union. Dieses System ist durch das Anwachsen
der Migration deutlich unter Druck geraten; zahlreiche Länder sind in der
Folge wieder dazu übergegangen, die eigenen Grenzen zu kontrollieren.
2. Abkehr der zeitgenössischen Sozialethik vom Staat
Die Migrations- und Integrationskrise hat eine Leerstelle der zeitgenössi-
schen Sozialethik offengelegt: Die Gesellschaft hat dem Staat in der sozial-
ethischen Reflexion den Rang abgelaufen. Der Bezug auf die Nation, das
Volk und dessen Identität oder den Nationalstaat erscheint mitunter wie
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven