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Kurt remele | Christliche Kakistokratie
dern Kennzeichen stärker fundamentalistisch und/oder pentekostalisch
orientierter Gruppen. Eine klare Grenzziehung zwischen Evangelikalismus
und protestantischem Fundamentalismus erweist sich dabei, wie gesagt,
als überaus schwierig. Im Folgenden wird dennoch versucht, zwischen den
beiden Gruppen zu unterscheiden und Differenzen aufzuzeigen.
Evangelikale stellen im Vergleich zu biblischen Fundamentalisten die we-
niger extreme Gruppe innerhalb der protestantischen Rechten dar. Sie sind
z. B. gegenüber Ökumene und Ökologie im Allgemeinen aufgeschlosse-
ner als ultra-konservative Fundamentalisten inklusive pfingstkirchlicher
(pentekostaler) Strömungen. Die Begriffe konservativ oder rechtskonservativ
beschreiben die Evangelikalen wahrscheinlich angemessener als der Aus-
druck fundamentalistisch. Harry Emerson Fosdicks Bemerkung, dass Fun-
damentalisten im Grunde genommen engstirnige und intolerante Konser-
vative seien, weist in die gleiche Richtung (Dinges 1989, 274). Idealtypisch
lässt sich die Differenz zwischen gemäßigten Evangelikalen und protes-
tantischen Fundamentalisten vielleicht so beschreiben: Evangelikale sind
theologisch und politisch (rechts)konservativ, aber bisweilen auch nicht;
Fundamentalisten sind theologisch und politisch reaktionär und das bis
auf ganz wenige Ausnahmen immer.
Protestantischer Fundamentalismus:
Gegen Darwin und Papst
Der Begriff Fundamentalismus geht auf extrem konservative protestanti-
sche Gruppen in den Vereinigten Staaten des frühen 20. Jahrhunderts zu-
rück, die die moderne Bibelexegese und sozialreformerische Deutungen
des Christentums (Social Gospel) ebenso bekämpften wie jenen allgemeinen
‚Sittenverfall‘, der sich ihrer Meinung nach vor allem in Frauenemanzipa-
tion, Evolutionstheorie, Sozialismus und deutschen Bierbrauern manifes-
tierte. Soziologisch lässt sich der biblische Fundamentalismus als Phäno-
men religiöser Gegenmodernisierung und Radikalisierung beschreiben,
als Versuch, sich aus einer als stark verunsichernd empfundenen Moderne
zusammen mit Gleichgesinnten in eine Festung unhinterfragter religiöser
Gewissheiten zurückzuziehen. Insgesamt stellt der biblische Fundamenta-
Wo lässt sich die Grenze zwischen Evangelikalismus
und protestantischem Fundamentalismus ziehen?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven