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Kurt remele | Christliche Kakistokratie
mythischen, apokryphen, menschlichen Traditionen – ihr Fundament ist
nicht das Wort Gottes.“ (zit. n. Keating 1988, 90) Der katholische Glaube sei
eine falsche Religion, er sei keine christliche Religion und ganz bestimmt
sei die katholische Kirche nicht, wie sie behaupte, die ‚Kirche Christi auf
Erden‘. Wer immer ihren falschen Lehren folge, sei ein Betrogener, der sein
ewiges Heil verspielt. In jüngster Zeit hat sich ein anderer fundamentalisti-
scher Pastor, der Baptist Robert Jeffress, ein enthusiastischer Unterstützer
Donald Trumps, als erbitterter Gegner der katholischen Kirche einen Na-
men gemacht. Im Oktober 2017 erklärte Jeffress, die katholische Kirche sei
eine „sektenähnliche heidnische Religion“ und ihr Erfolg sei der „Geniali-
tät Satans“ zuzuschreiben (Perez 2017).
Die antikatholischen Attacken fundamentalistischer Bibelchristen blieben
nicht ohne Konsequenzen. Nicht wenige Katholikinnen und Katholiken in
den USA fühlten sich verunsichert, einige davon konvertierten sogar zum
protestantischen Fundamentalismus. Die katholische Bischofskonferenz
der Vereinigten Staaten beauftragte deshalb Mitte der 1980er-Jahre eine
Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Erzbischof John Whealon von Hart-
ford, Connecticut, mit der Aufgabe, den evangelikalen Fundamentalismus
aus der Perspektive katholischer Theologie kritisch zu beleuchten. Die
Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sind im 1987 erschienenen Doku-
ment A Pastoral Statement for Catholics on Biblical Fundamentalism (National
Conference of Catholic Bishops 1987) festgehalten. Das kirchenamtliche
Schreiben beklagt, dass es einige fundamentalistische Kirchen und Sekten
gebe, die sich durch einen fanatischen und primitiven Anti-Katholizismus
auszeichneten. Der Überzeugung von einer absoluten Irrtumslosigkeit der
Bibel auch in naturwissenschaftlichen und historischen Fragen stellen die
Bischöfe die Auffassung katholischer Theologie gegenüber, dass die Bibel
nicht als Ganze unversehrt vom Himmel gefallen sei, sondern dass es Israel
und die frühe Kirche waren, welche die Bibel hervorgebracht hätten. Die ka-
tholischen Bischöfe bezeichnen die Bibel als „eine Sammlung von Büchern,
geschrieben von vielen Menschen, die von Gott inspiriert waren“ (National
Conference of Catholic Bishops 1987, 2). Sie geben zu, dass ihre Kirche in
bestimmten historischen Epochen die Bibellektüre nicht genügend geför-
dert habe. Heute aber ermutige sie zu einem Bibelstudium, das sich ganz im
Gegensatz zum biblischen Fundamentalismus auch historisch-kritischer
Methoden bediene. Die Bischöfe stellen den biblischen Fundamentalismus
in einen historischen und sozialpsychologischen Kontext und verschwei-
gen nicht, dass sie seine Prediger für terribles simplificateurs halten:
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven