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Franz Gmainer-Pranzl | â... mit dem menschengeschlecht und seiner Geschichte wirklich innigst verbunden ...â
nicht möglich ist. Als Teil der Universalkirche verfĂŒgt die kongolesische
Ortskirche ĂŒber Möglichkeiten in den Bereichen von Bildung, Kommuni-
kation, Politik und Pastoral, die den Menschen zugutekommen. Gerade in
LĂ€ndern, in denen die Menschenrechte, die freie MeinungsĂ€uĂerung sowie
der Rechtsstaat bedroht sind, können der internationale RĂŒckhalt und das
globale Netzwerk der kirchlichen Gemeinschaft ein stÀrkendes und solida-
risches Potential entfalten.
Zugleich ist hier auf zwei Gefahren hinzuweisen:
Erstens sind auch Kirchen nicht vor der Gefahr des Nationalismus und iden-
titĂ€ren Denkens gefeit; weltweit gibt es Beispiele dafĂŒr, dass sich christli-
che Kirchen von staatlicher Macht instrumentalisieren lassen und religiöse
Symbolik zur Inszenierung bestimmter politischer Anliegen einsetzen. Zu-
dem ist leider auch zu beobachten, dass kirchliche Vertreter mit nationalis-
tischem, teilweise sogar faschistischem Gedankengut sympathisieren und
nicht der Vision einer gemeinsamen Menschheitsfamilie folgen, sondern
eine bestimmte kirchliche IdentitÀt mit den Interessen einer nationalisti-
schen Politik verbinden. Das kann dazu fĂŒhren, dass rechte Politiken in der
gesellschaftlichen Ăffentlichkeit mit Symbolen aus der christlichen Tradi-
tion auftreten und dadurch â ohne dies selbst zu begreifen â eine massive
BedeutungsverÀnderung dieser christlichen Symbolik bewirken, wie dies
etwa Hans-Joachim Sander mit Blick auf die Kreuz-Debatte im bayerischen
Wahlkampf 2018 aufgezeigt hat (Sander 2018).
Die zweite â etwas subtilere â Gefahr besteht darin, UniversalitĂ€t mit in-
stitutionalisierter InternationalitÀt zu verwechseln, also zum Beispiel die
internationale Zusammensetzung einer kirchlichen KommunitÀt als Be-
weis ihrer âUniversalitĂ€tâ bzw. âKatholizitĂ€tâ zu sehen. Nun sind solche
Strategien der Internationalisierung sehr zu begrĂŒĂen, und gerade ange-
sichts nationalistischer und identitÀrer Tendenzen in vielen Gesellschaf-
ten Europas kann die InternationalitÀt der Kirche, die in Europa meistens
durch kirchliches Personal aus den LĂ€ndern des globalen SĂŒdens sichtbar
wird, ein Zeichen fĂŒr die Einheit und ein Miteinander von Menschen aus
unterschiedlichen Gesellschaften sein. Allerdings bedeutet die bloĂe PrĂ€-
senz von Menschen aus verschiedenen LĂ€ndern noch nicht âUniversalitĂ€tâ
in einem qualifizierten Sinn, wie dies etwa die spanische Ordensfrau Diana
de Vallescar Palanca betont. âInterkulturalitĂ€tâ ist Ausdruck eines Prozesses
Doch auch Kirchen sind nicht vor der Gefahr des
Nationalismus und identitÀren Denkens gefeit.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven