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Franz Gmainer-Pranzl | â... mit dem menschengeschlecht und seiner Geschichte wirklich innigst verbunden ...â
neben der realen Welt existierte, trat in die Welt der Armen ein, legte Pri-
vilegien ab und setzte sich fĂŒr soziale Gerechtigkeit ein. Diese âOption fĂŒr
die Armenâ provozierte jene, die bisher zu den Privilegierten gehörten und
die Kirche als religiöse BestÀrkung der sozialen VerhÀltnisse wahrnahmen.
Dass diese pastorale und politische Option auch die Methode der Theologie
verÀnderte, hob zum Beispiel die EATWOT8-Konferenz von Delhi im Jahr
1981 hervor: âDie traditionelle Theologie hat sich nicht auf das tatsĂ€ch-
liche Drama im Leben der Menschen eingelassen [âŠ]â (SchlusserklĂ€rung
1999, 123), bedauert die SchlusserklÀrung dieser Konferenz und prÀzi-
siert, inwiefern in der theologischen Arbeit Weltkirchlichkeit und Option
fĂŒr die Armen zum Ausdruck kommen: âDie Gesellschaftsanalyse ist eine
unersetzliche Vermittlung und ein fundamentales Werkzeug einer befrei-
enden Theologie.â (Ebd., 125) WĂ€hrend also die soziale Situation traditio-
nellerweise nur theologisch-immanent zu erklÀren versucht wurde, setzt
ein befreiungstheologischer Zugang eine sozialwissenschaftliche Untersu-
chung voraus, was nicht heiĂt, dass die Sozialwissenschaft die Theologie
ersetzt: Die gesellschaftlichen VerhĂ€ltnisse werden nicht nur âbesprochenâ,
sondern empirisch untersucht und entsprechend dieser messbaren Ergeb-
nisse interpretiert. Theologie sollte angesichts wichtiger Herausforderun-
gen wie soziale Sicherheit, Migration, Bildung, Gesundheit, Rechtsstaat
usw. nicht nur moralische Appelle formulieren, sondern auf Grundlage
gesicherter Daten eine verantwortete Position beziehen, um die Botschaft
des Evangeliums nicht ins Leere zu verkĂŒnden, sondern mit einer Sensi-
bilitĂ€t und Aufmerksamkeit fĂŒr konkrete gesellschaftliche VerhĂ€ltnisse zu
verbinden.
Daher muss sich diese Haltung des Interesses fĂŒr die Gesellschaft, der
Teilnahme an der Lebenssituation der Menschen, vor allem der Armen
und Ausgegrenzten, in der Theologie widerspiegeln. Eine welt-kirchliche
Theologie, die sich der groĂen Perspektive des Zweiten Vatikanischen Kon-
zils verpflichtet weiĂ, wird sich einem offenen Dialog aussetzen und in die
Wirklichkeit des sozialen Lebens âeintauchenâ, wie dies vor allem in ekkle-
siologischen EntwĂŒrfen Asiens formuliert wurde. Der aus Sri Lanka stam-
mende Pionier des buddhistisch-christlichen Dialogs, Aloysius Pieris SJ,
griff in FortfĂŒhrung der Ekklesiologie des Konzils die Metapher der âTaufe
im Jordanâ auf: Entsprechend der Haltung Jesu, dessen Lebens beispiel dazu
Auch in der Theologie muss sich die Haltung des Interesses fĂŒr die Gemeinschaft,
die Teilnahme an der Lebenssituation der Menschen widerspiegeln.
8 Die Ecumenical Association of Third
World Theologians, die 1976 in Tan-
sania gegrĂŒndet wurde, versteht sich
als Zusammenschluss christ
licher
Theologinnen und Theologen aus
dem globalen SĂŒden, die in beson-
derer Weise Fragen der Ăkologie,
der GenderverhÀltnisse, der sozialen
Gerechtigkeit und der globalen Be-
ziehungen zwischen Nord und SĂŒd
behandeln.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven