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rita Perintfalvi | Widerstand gegen rechtspopulismus im namen der Zivilisation der liebe
und Selbstreflexion fehlen oft in den Kirchen der postkommunistischen
Länder. Da das Zweite Vatikanische Konzil historisch unglücklicherweise
in die Epoche des Kommunismus fiel, als Leben und Entwicklung von Kir-
che und Theologie einschneidend gelähmt wurden, konnten die mittelost-
europäischen Kirchen die Reformen des Konzils nur wenig verwirklichen.
Daraus folgt, dass die moderne „aufgeklärte“ Denkweise und damit auch
die Hochschätzung von Menschenrechten und Demokratie sowie die Kritik
am starren Autoritarismus in der kirchlichen Lehre und Praxis immer noch
nicht willkommen sind.
Die ultrakonservativen und traditionalistischen kirchlichen Kreise sowohl
in der katholischen Kirche als auch in den reformierten und neuprotestan-
tischen Kirchen Ungarns schließen momentan strategische Allianzen mit
der rechtspopulistischen Regierung. Ihre ideologische Basis enthält viele
ähnliche Elemente: eine antiliberale, antipluralistische, teils auch anti-
demokratische Stoßrichtung. Deswegen gehen die historischen Großkir-
chen (einzige Ausnahme ist die evangelisch-lutherische Kirche) und auch
die evangelikalen Kirchen mit neoprotestantischem Hintergrund (wie Hit
Gyülekezete) solche unheiligen Allianzen mit Neuen Rechten mit Begeis-
terung ein. Eine kleine neoprotestantische Kirche, Magyarországi Evangé-
liumi Testvérközösség (Ungarische Evangelische Bruderschaft), unter der
Leitung von Gábor Iványi leistet jedoch prophetischen Widerstand – 2011
verlor sie ihren offiziellen Kirchenstatus durch die Regierung. Viele Kir-
chen nehmen gar nicht wahr, wie sie durch raffinierte politische Verführer
instrumentalisiert werden. Das wurde vom Bischof und ehemaligen Erzabt
von Pannonhalma Asztrik Várszegi in einem Interview folgendermaßen
formuliert: „Wie mit Stoffpuppen, so spielen die Politiker mit der Kirche.“
(http://nol.hu/belfold/varszegi-asztrik-rongybabakent-jatszanak-az-
egyhazzal-a-politikusok-1583963) Bischof Várszegi gehört zur kleinen
Minderheit der ungarischen Bischofskonferenz, die die politischen Allian-
zen der katholischen Kirche sowohl während des Kommunismus als auch
in der aktuellen Epoche des Rechtspopulismus nachdrücklich kritisiert hat.
Kampf um die Identität, Feindbilder und Gewalt gegen die Volksfremden
„Das Volk“ ist für die RechtspopulistInnen eine identitäre Volksgemein-
schaft, dementsprechend wird das Volk als ethnisch homogene Einheit
betrachtet. In ihrem „Identitätswahn“ scheinen die Populisten schon „auf
halbem Weg zum Faschismus des 20. Jahrhunderts“ (Claus Leggewie) zu
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven