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rita Perintfalvi | Widerstand gegen rechtspopulismus im namen der Zivilisation der liebe
Das ungarische Grundgesetz garantiert im Prinzip die Autonomie der Bil-
dung und der Wissenschaft. Durch die willkürliche Anordnungsänderung
gegen die Gender Studies wurde dieses Grundgesetz verletzt.
Ein anderes Beispiel, das teils im Gefolge der Anti-Gender-Attacke steht,
teils aber die Infragestellung der Integrität der Wissenschaft signalisiert,
ist die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA). Im Rahmen einer
großen Veranstaltungsreihe der Akademie wurden im Herbst 2018 Ta-
gungen und Konferenzen organisiert. Dabei hat die Akademie als groteske
Selbstzensur zwei Vorträge aus dem Programm gestrichen. Der Titel eines
verbotenen Vortrags war „Rolle und Erfolg von Frauen und Männern in
der Informationstechnologie“. Nach der offiziellen Begründung konnte
die Leitung der MTA diesen Vortrag „wegen der sonstigen Bezüge der Ge-
schlechterthematik nicht erlauben“. Das war allerdings nicht die Meinung
der gesamten MTA, sondern nur die persönliche Meinung der Vizesekre-
tärin der MTA. Der Titel des anderen geplanten Vortrags war „Die juris-
tische Seite sozialer Netzwerke“. Hier wurde als Begründung des Verbots
angeführt, dass der Vortrag „wegen der politischen Bezüge“ nicht gehalten
werden dürfe. Zurzeit stehen die Akademie der Wissenschaften und damit
auch die Autonomie der Forschung überhaupt in der Schusslinie.
Tiefe Identitätskrise innerhalb der Kirchen Ungarns
Da das universalistische Prinzip, also die Anerkennung der Gleichberechti-
gung und Würde aller Menschen, für die christliche Ethik unabdingbar ist,
müssen die christlichen Kirchen und Theologien menschenverachtende,
gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit und den militanten Nationalismus un-
bedingt verurteilen. Die neorechte Politik hat in Ungarn einen ethnischen
Begriff der Nation entwickelt, dessen Grundlage eine homogene christliche
Gesellschaft ist. Dies bedeutet gerade die größte Verführung für die unga-
rische Kirche.
Wenn sie sich durch die rechtspopulistische Politik völlig instrumenta-
lisieren lässt, gewinnt sie etwa so ihr in der Moderne verlorenes Gesell-
schaftsprestige zurück? Oder ist das bloß eine große Illusion? Dass die
Im Gefolge der Anti-Gender-Attacke steht die Autonomie
der Forschung überhaupt in der Schusslinie.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven