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Richard Sturn | Generationengerechtigkeit, Generationenvertrag und Entsolidarisierung
Anhang
Vertiefende Anmerkungen zu Problemen bei der Anwendung von Kosten-
Nutzen-Analysen (KNAs) auf die Evaluierung klimapolitischer Maßnahmen
Die Diskontierungsprobleme bei der Evaluierung klimapolitischer Maßnahmen in KNAs
sind nur die Spitze eines Eisbergs im Hinblick auf ein allgemeineres Problemmuster: In
Bezug auf übergreifende, zeitlich ausdehnte Problemstellungen ist der Rückgriff auf Be-
wertungsprinzipien problematisch, die bei viel „kleineren“, d. h. vor allem auch, besser
aus dem übergreifenden Kontext analytisch herauslösbaren Problemen Sinn machen.
Nicholas Stern (der selbst viel zur theoretischen Verfeinerung der KNA beigetragen hat)
wendet zwar in besonders viel beachteter Weise das KNA-Instrumentarium auf das Kli-
maproblem an und reflektiert einen Teil der entstehenden einschlägigen Probleme. Ge-
rade auch aus dem einschlägigen Schrifttum Sterns zu den theoretischen Grundlagen der
KNA kann man lernen, dass wichtige operative Voraussetzungen der KNA ceteris paribus
Annahmen erfordern, die nur für „kleine Projekte“ vorausgesetzt werden können.
Ich kann hier nur andeuten, worin diese Probleme bestehen. Ein Hintergrund ist der par-
tialanalytische Charakter von Grenzvermeidungskosten- und Grenzschadensfunktio-
nen, ihre Verteilungsabhängigkeit bzw. die Tatsache, dass sie nur „Momentaufnahmen“
unter sonst gleichen Umständen sind, die allenfalls für kleine Änderungen konstant blei-
ben, wohingegen bei größeren Änderungen (z. B. im Emissionsniveau) Rückwirkungen
auf den Verlauf der Kurven zu erwarten sind. Stern ist sich des Problems bewusst und ver-
sucht deshalb, diese Falle zu vermeiden. Er passt die verwendete Methode entsprechend
an. Beim Treibhauseffekt liegen, wie er ausführt, „non-marginal changes to societies,
not merely small changes amenable to ordinary project appraisal“ (Stern 2007, 28) vor.
Er verwendet daher einen „formal comparison between paths“ (39f.), um dem Rechnung
zu tragen. Allerdings ist auch dies nicht ohne Probleme.
Denn diese adaptierte Herangehensweise der KNA ermöglicht nur die Evaluierung eines
bestimmten klimapolitischen Maßnahmenszenarios („Projekt“) vor dem Referenzsze-
nario business-as-usual. Sie kann aber zum einen nicht die Frage beantworten, ob es noch
weitere „Projekte“ gäbe, die noch besser sind (vgl. kritisch-alternativ hierzu Llavador/
Roemer/Silvestre 2009). Zum anderen stellt sich die Frage, ob und wie ein business-as-
usual-Szenario angesichts der multiplen Problemhorizonte und Interdependenzen kohä-
rent formuliert werden kann. Anhand des Stern-Reviews wurde auch das oben skizzierte
Diskontierungsproblem in extenso kontrovers diskutiert. Diese kontroverse Diskussion
entstand im Anschluss an die Annahme einer nur wenig über Null liegenden Diskontrate
im Stern-Review. Stern (2007) verwendet die normative Prämisse des discounted utilita-
rianism, wobei er allerdings (im Unterschied zu Nordhaus und anderen) die Kosten- und
Nutzenströme, welche zukünftige Generationen betreffen, mit einer nur ganz wenig über
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven