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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
Seite - 38 -
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38 | www.limina-graz.eu Richard Sturn | Generationengerechtigkeit, Generationenvertrag und Entsolidarisierung Null liegenden Diskontrate abdiskontiert. Hierfür gibt es folgende Rechtfertigung: Es ist im utilitaristischen Rahmen ethisch prinzipiell überhaupt nicht vertretbar, die Nutzen und Kosten zukünftiger Generationen geringer zu gewichten als jene der derzeit leben- den. Insbesondere ist es nicht legitim, den vorliegenden intergenerationalen Entschei- dungskontext mit Modellen unendlich lebender Agenten (denen entsprechende Zeitprä- ferenzraten unterstellt werden können) zu approximieren. Allerdings kann man in einem Mehr-Generationen-Kontext für jede Generation ein exogenes Risiko annehmen, dass die Menschheit ausgelöscht wird – und genau dieses Risiko steht in mathematischem Zusammenhang mit jener nur wenig über Null liegenden Diskontrate, die Stern annimmt (vgl. dazu auch Heal 2008). Wo liegt nun das Problem? In der neoklassischen Ökonomik stehen Diskontraten in lo- gischer Verbindung mit den Marktzinssätzen. Der Marktzinssatz wird als intertempo- raler Knappheitspreis verstanden, der die intertemporale Allokation knapper Ressour- cen, insbesondere die Kapitalbildung bzw. die Allokation knapper Kapitalressourcen, auf verschiedene Investitionsprojekte reguliert. Der Zinssatz wird daher vielfach auch als marktförmig „legitimierte“ soziale Diskontrate angesehen, die aufgrund der Präferenzen der vielen Marktteilnehmer unter Bedingungen kapitalbrauchender Produktion zustande kommt. Dabei muss angenommen werden, dass der normativ relevante Marktzinssatz unter den verschiedenen Zinssätzen, die zudem konjunkturell variabel sind, sinnvoll be- stimmbar ist. Viele Ökonomen sind nun der Auffassung, dass diese preistheoretische Lo- gik bei allen Arten von intertemporal wirksamen Entscheidungen zum Tragen gebracht werden muss. Wer einen Zinssatz von Null (oder, wie Nicholas Stern, nahe bei Null) an- setzt, unterliegt nach Ansicht dieser Ökonomen dem systematischen Risiko, „falsche“ Projekte zu wählen und damit Ressourcenverschleuderung zu betreiben. Geoffrey Heal (1997) schlägt hier einen „Mittelweg“ vor, der sowohl den intergenerativen Gerechtig- keitsaspekt als auch den Effizienzaspekt hinsichtlich der Kapitalnutzung berücksichtigen soll. Andere sind der Ansicht, dass in adäquaten Mehr-Generationen-Modellierungen im Entscheidungskontext weitreichender globaler Klimapolitik eine Diskontrate von (nahe) Null anzusetzen ist. Tatsächlich könnte ein weitreichendes Problem wie das Klimaprob- lem mit irreversiblen Folgen „wegdiskontiert“ werden (zumindest als heute relevantes Problem), wenn immer jeweils Marktzinssatz-nahe Diskontraten für die relevanten po- litischen Makro-Entscheidungen angesetzt werden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
3:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
222
Kategorien
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