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Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzählen, um ihn zu verhindern
intensiviert. Eine Aufklärung und Warnung der gesellschaftlichen Öffent-
lichkeit geschah dann im späten 20. Jahrhundert, als der allgemeine Auf-
schwung der Umweltbewegung und die konkrete Besorgnis über das Ozon-
loch einen Resonanzraum für die Ergebnisse der Klimaforschung geschaf-
fen hatten. Seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de
Janeiro 1992 und der dort verabschiedeten UN-Klimarahmenkonvention
hat sich die Erkenntnis, dass sich die Atmosphäre erwärmt, dass die von
Menschen bewirkte Freisetzung von Kohlendioxid und anderen Treib-
hausgasen die ausschlaggebende Ursache ist und dass diese Entwicklung
im Ganzen negative Folgen nach sich ziehen wird, allmählich weltweit
durchgesetzt, und die Gefahren sind „offiziell“ anerkannt.
Was diese Variante des Klimadiskurses auszeichnet, ist ein nur selten zu
beobachtender Gleichklang von natur- und zunehmend auch sozialwis-
senschaftlicher Forschung, medialer Berichterstattung, großer weltgesell-
schaftlicher Besorgnis und beginnender Gesetzgebung.
Ebenso wie andere Umweltdiskurse, etwa über den sauren Regen und das
Waldsterben oder die Vermüllung der Umwelt, besitzt der Klimadiskurs ei-
nen gesellschaftskritischen Unterton. Ein Handeln nach der Maxime „wei-
ter so wie bisher“ ist nicht tragbar, weder ökologisch noch gesellschaftlich
noch moralisch. Dies wird nicht nur argumentativ dargelegt, sondern mehr
noch bildgewaltig dargestellt, etwa indem die Leitfigur der Fridays-for-
future-Bewegung, Greta Thunberg, zum ersten UN-Klimagipfel für Ju-
gendliche in New York im August 2019 mit einem Segelboot anreiste.
Die Katastrophe einer neuen Eiszeit
In den 1970er-Jahren konkurrierte das Modell der globalen Erwärmung
mit einer gegenläufigen Sichtweise, die eine neue Eiszeit auf die Mensch-
heit zukommen sah. Diese Hypothese ist strukturell ähnlich gebaut wie die
erste, entwickelt indes einen genau spiegelverkehrten Verlauf. Im Zentrum
der Kausalannahmen stehen hier wie dort Veränderungen in der Atmo-
sphäre, in diesem Fall Aerosole, d. h. durch Industrie und Verkehr freige-
setzte kleinste Partikel, die stark abkühlend wirken.
Ähnlich wie bei der globalen Erwärmung führten auch in den Theorien
zur globalen Abkühlung erfolgreich umgesetzte oder erwartbare Umwelt-
schutzmaßnahmen zu neuen Überlegungen. Während im ersten Diskurs
Klimaerzählung 2: Abkühlung durch Aerosole in der Atmosphäre
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven